Ein Porträt von Guido Tartarotti.

Guido Tartarottis "Über Leben": Erinnerungen an meine Großmütter

Zwei Großmütter, zwei Welten: warm, streng und voller süßer Kindheitserinnerungen.

Als Kinder waren wir bestens versorgt, denn wir hatten zwei Großmütter. Gut, das haben zum Glück die meisten Kinder, aber unsere Großmütter waren besonders. Meine eine Großmutter hieß Omi, war dick und rund und weich und von Beruf Hausfrau und Großmutter. Meine andere Großmutter hieß Omama, war mager und von Beruf Ärztin und streng.

Meine Omi spielte Mundharmonika, meine Omama spielte Tennis. Meine Omi ernährte sich und uns mit Knödeln und Nutellasemmeln, meine Omama ernährte sich und uns mit Mannerschnitten, strengen Ratschlägen und, wenn nötig, starken Medikamenten. Meine Großmütter besaßen beide große Fernsehapparate, und das war eine Sensation. Der Fernseher meiner Omi zeigte Schwarz-Weiß-Bilder, was wenig ausmachte, denn meine Omi sah am liebsten Schwarz-Weiß-Filme, im Idealfall mit Hans Moser.

Meine Omama besaß einen Farbfernseher, der das Grün der Tennisplätze in Wimbledon besonders gut zur Geltung brachte. Meine Omama sah nichts lieber als Tennis und grünes Gras.

Damals kletterte ich gerne auf Bäume. Ich war ein ungeschicktes Kind, aber irgendwie schaffte ich es, ein guter Baumkletterer zu werden. Ich kletterte so hoch wie möglich, saß dann in einer Astgabel und betrachtete die Welt unter mir. Manchmal sang ich sogar Lieder. Einmal schnitzte ich mit einem Taschenmesser den Namen eines Mädchens in die Rinde, verletzte mich dabei am Finger und fiel vom Baum.

Die Wundversorgung lieferten meine Großmütter, die eine mit aufgebackenen Nutellasemmeln (mit Butter!), die andere, indem sie einen Verband anlegte, Mannerschnitten verordnete und mich gehörig ausschimpfte. Vielleicht, denke ich manchmal, sollte ich wieder einmal auf einen Baum klettern.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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