Nein heißt vielleicht: Klaus Eckel über Pfadfinder und Erziehung
Als Jugendlicher war ich Pfadfinder. Sie wissen, das ist die Organisation, die durch Lagerfeuergesang die Wölfe das Fürchten lehrt und bei der die größte Mutprobe darin besteht, in einen Schlafsack zu kriechen, der seit vier Jahren nicht gewaschen wurde. Eine meiner fragwürdigsten Erfahrungen war die Verlegung einer Telefonleitung vom Zeltlager im Wald bis in den Ort Heidenreichstein. Zwei Tage watete ich gemeinsam mit meinem Patrouillenführer bei strömendem Regen durch Gatsch und Flussbett. Er hielt die Telefonschnur, ich die Kabelrolle. Als wir dachten, dass wir fertig wären, schenkte uns das Schicksal einen weiteren Tag. Keine Verbindung. Das Telefonkabel war beschädigt. Wir fanden die Stelle und behoben den Schaden.
Am vierten Tag fiel uns erst die Sinnlosigkeit unseres Auftrages auf – niemand in Heidenreichstein wollte mit uns telefonieren. Am nächsten Tag lautete unser Auftrag, die Telefonleitung wieder einzuholen. Als wir völlig erschöpft und knochennass ins Zeltlager zurückkehrten, empfing uns der Pfadfinderführer mit folgender Naturschutzaufgabe: der Bau eines mehrspurigen Kreisverkehrs für eine Ameisenstraße. Immerhin sind wir hier in Niederösterreich.
Pfadfinderlager hatten im Grunde immer nur ein Ziel: uns deutlich zu machen, wie schön es zu Hause ist. Dass wir unseren Erzeugern schluchzend in die Arme stürzten und ihnen alles Mögliche versprachen – von guten Betragensnoten bis zur Duschsiphon-Reinigung. Hauptsache, nie wieder dieses uniformierte Freilufttreffen für Hygiene-Minimalisten.
Heutzutage besteht zwischen Eltern und Kindern ein anderes Machtgefälle. Unser Nachwuchs bestimmt mit über den Urlaubsort, die Farbe des Familienautos und die Anzahl der „Noch-5-Minuten“-Verlängerungen. Vielleicht fehlt, wie so oft, das Mittelmaß. Oder wie neulich eine Bekannte von mir sagte: Ich würde gerne meine Kinder auf Augenhöhe erziehen, aber dazu müssten die beiden in die Knie gehen.
Der Autor ist Kabarettist und Buchautor. Termine: globe.wien.
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