Klaus Eckel über den Störfaktor Sensenmann

Grönlandhaie werden mehr als 400 Jahre alt. Kabarettist Klaus Eckel fragt sich, ob ewiges Leben wirklich ein Segen ist,
Klaus Eckel

Klaus Eckel

Es gibt Grönlandhaie, die über 400 Jahre alt sind. Was in dieser Zeitspanne alles an ihnen vorbeigezogen sein muss – von der Mayflower bis zu Unterwasserdrohnen. Die Titanic und bei der Verfilmung dann die strampelnden Beine von Leonardo DiCaprio. In den letzten Jahrzehnten tauchten vor den Augen der Meeresräuber wohl auch noch ein paar Lidl-Sackerl auf, unzählige Crocs und die ein oder andere Schwimmnudel.

Aufgrund der Überfischung beziehen Grönlandhaie ihre Proteine nicht mehr aus frischen Garnelen, sondern aus kaputten Handyhüllen. Nur wer sich anpasst, überlebt. Amerikanische Milliardäre planen nun, den Grönlandhai wie ein Bierfass anzuzapfen, um in dessen Blut das Rezept für ein langes Leben zu suchen. Ich sehe ihn schon vor mir, den Silicon-Valley-Energydrink mit dem Namen Grönlandsharky200.

Die letzten beiden Gerechtigkeiten auf dieser Welt lauten: 1 – Jeder wird alt. 2 – Jeder muss sterben. Jeff Bezos will sich jetzt aus diesen Tatsachen rauskaufen. Vermutlich, damit er seine nächsten ewigen Lieben noch in Dubrovnik, Florenz und Hallstatt ehelichen kann. Europa wird noch zur Freiluftkapelle.

Doch was mich mehr interessiert: über 100 Jahre alt werden – wo liegt der Reiz? Noch zigmal Haare waschen, Zähne putzen, Nägel schneiden. Wer will das? Außer die Kosmetikindustrie. Unzählige weitere Wiederholungen von Song Contest, Regierungsangelobungen, der Weihnachtsabend mit den immer selben Gesprächsthemen: Wetter, Nachbarn, Rabattmarken. Unsere Geburtstagstorten würden irgendwann die Größe eines niederösterreichischen Kreisverkehrs haben, damit die ganzen Kerzen darauf Platz finden. Vielleicht sterben amerikanische Milliardäre später als wir, jedoch an Langeweile. Anders gesagt: Es gibt ganz sicher Tage, an denen träumt der Grönlandhai davon, einfach nur eine Eintagsfliege zu sein.

Der Autor ist Kabarettist und Buchautor. Termine 2025 auf globe.wien.

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