Ist Mehl das neue Craft Beer?

Im historischen Mühlenviertel Wiens in der Nähe des Naschmarkts sperrt dieser Tage Österreichs erste Mehl-Greißlerei auf.
Barbara Beer

Barbara Beer

Glatt, griffig oder universal? Vergessen Sie’s. In den Ohren des Brotkenners so banal wie „Rot, Weiß, oder Rosé“ in jenen des Sommeliers.

Im ersten Mehlgeschäft Österreichs wird’s demnächst komplizierter. In der „Mehl-Greißlerei“ in der Heumühlgasse im historischen Mühlenviertel auf der Wieden können Sie ab nächster Woche Mehl von raren Getreidesorten und in speziellen Ausmahlungsgraden aus Österreich und Italien kaufen.

Wird es Verkostungen geben? Wird Mehl nach den schwierigen „Low-Carb“ -Jahren nun zum Trendprodukt? Ist Mehl etwa das neue Craft Beer?

Brot-Schauplatzwechsel in den Siebenten: Mehl und Sauerteig-Pflege sind in der „Alten Bäckerei“ in der Burggasse schon lange kein Thema mehr. Das Lokal im denkmalgeschützten Biedemeierhaus Ecke Siegmundsgasse (Baujahr 1844) hat ein originales Bäckereiportal, beschäftigt sich heute aber eher mit Hopfen- als mit Mehlsorten. Nun hat sich das Bier-Beisl eine neue Fassade verpasst. Die das Denkmalamt nicht goutiert: „Wir werden den Kontakt zu den Betreibern suchen“, sagt Landeskonservator Friedrich Dahm. Die alte Fassade soll wieder hergestellt werden – damit der Schriftzug „Alte Bäckerei“ wieder zu sehen ist.

Ist Mehl das neue Craft Beer?

Auch die Bäcker-Tradition in Wien-Fünfhaus hat schon bessere Zeiten gesehen: Dort liegt die Zentrale der Bäckerei Mühlenbrot, die bestätigt, was dem Innenstadt-Flaneur längst aufgefallen ist: Die Filialen des 1827 gegründeten Handwerksbetriebs wurden von einem anderen Bäcker übernommen.

Und die Tradition? Zumindest die ehemalige Mühlenbrot-Heimat Krugerstraße wurde literarisch verewigt. Weil Bestsellerautor John Irving einst in Wien Deutsch lernte, sind die Krugerstraße und die (unter anderem Namen tatsächlich existente) „Pension Grillparzer“ in Romanen wie „Hotel New Hampshire“ zu Ruhm gekommen.

Und es ist gut möglich, dass Herr Irving während seines Aufenthaltes das eine oder andere Semmerl vom Mühlenbrot-Bäcker verspeist hat. In welchem Ausmahlungsgrad sich das Mehl dafür befand, ist unbekannt.

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