Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Das Potential zum Heldentum

Eine kleine spätsommerliche Meditation darüber, warum wir den Sommer so gern haben bzw. uns selbst im Sommer so gern haben.

Neulich belehrte mich der Kalender über eine Grausamkeit: Dieser Sommer, gefühlt gerade erst begonnen, ist bald schon wieder vorbei.

Mit ihm schwinden nicht nur Ferien und Freibadtage, sondern die Vielzahl an Gelegenheiten, im Leben anderer zum Helden zu werden. Grillnachmittage sind nicht nur zum Essen da, sondern auch, sich als Wespenjäger zu profilieren. Nie sind mir meine Söhne so dankbar, wie wenn ich mit einem Geschirrtuch bewaffnet wie ein Torero in ihrem Kinderzimmer stehe und Gelsen, Nachtfalter sowie sonstige Brumm-Summs hinauswachle. Gelingt es, eine furchteinflößende Hornisse mit Glas und Papier zu fangen, atmen alle Anwesenden erleichtert auf.

Fehlen jedoch die Badetage, haben die großen Kinder kaum noch Chancen, das Spielzeug der kleineren vom Boden des tiefen Freibadbeckens zu retten. Scheint die Sonne seltener, kann man nicht theatralisch in die Tasche greifen und der im Licht brütenden Freundin die Sonnencreme reichen.

Kühle Tage machen es nicht notwendig, einem rot angelaufenen Kollegen den begehrten Platz vor dem Ventilator zu überlassen oder Nachbars Balkonpflanzen mit einer Wasserpistole vor dem Verdursten zu retten. Natürlich kann man auch im Herbst, Winter und Frühling heldenhaft sein, aber dann fehlt der gleißende Sonnenschein, der einen, besonders wenn er von hinten kommt, so zauberhaft glänzen lässt.

Der Sommer holt nicht das Beste aus uns heraus, aber er schenkt uns mehr Gelegenheiten, unser bestes Selbst zu sein. Leicht wehmütig trat ich also ins Augustfinale, doch dann sah ich mir mit meinem Sohn ein Buch über Superhelden an und stellte fest: Die tragen immer eine Schicht mehr Kleidung als alle anderen – Umhang, Maske, Handschuhe etc. Und: Kein Held wurde je dabei beobachtet, übers Wetter zu raunzen.

Vielleicht ist das das eigentliche Geheimnis der Superkraft.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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