
Vea Kaisers Kolumne: Wenn die Erde bebt
Über Schlaglöcher, verlegte Gastgärten und die Kunst, das Leben unter herausfordernden Bedingungen zu genießen
Anlässlich unseres 7. Hochzeitstags reisten der Dottore Amore und ich mit den Bambini in jene kleine Stadt nahe Neapel, in der die Familie meines Mannes lebt und wir einst geheiratet hatten. Am Hochzeitstag aßen wir im selben Lokal am Rande des Vulkankraters, in dem unsere Feier stattfand.
Die Nacht endete für mich kurz vor fünf, als die Erde mit Stärke 4,0 bebte.
Das Bett wackelte, Brille und Babyphone rutschten vom Nachtkasterl, während Kinder und Mann tief schliefen. Nur mein Großer streckte sich nach Ende des Bebens wohlig, als hätte man ihn in noch tieferen Schlaf geschaukelt. Beim Frühstück war alles wie immer. Die Kellner hatten nichts bemerkt, nur der Hausmeister kehrte herabgefallenen Verputz zusammen.
Abends fragte ich die Cousinen meines Mannes, wie sie es aushalten, auf einem aktiven Vulkanfeld zu leben, wo häufig die Erde bebt. "Es ist halt so", meinte die eine. Die andere zeigte mir Fotos vom Zimmer ihrer Tochter, das seit dem letzten größeren Beben im März gesperrt ist. "Noch im September kommen die Bauarbeiter, die Wandfarbe war ohnehin zu rosa."
Dann redeten wir wieder über die amourösen Dramen anderer Leute, unsere Kinder und Essen. Auf dem Heimweg sah ich Schäden an Gebäuden, die noch immer nicht repariert waren, aber auch das Leben dazwischen: Vespas, die kunstvoll um Löcher in der Straße kurvten, ein Lokal, das seinen Gastgarten auf der Piazza verlegt hatte, weil der Balkon über jenem Platzerl, an dem er sich einst befand, zur Hälfte abgebrochen war. Mein kleiner Sohn stolperte über eine Bodenwelle und stürzte.
Ich hielt die Luft an, doch er weinte nicht, sondern stand sofort wieder auf und rannte weiter zum Eisgeschäft. Der Kleine hatte die Lebenskunst hier längst verstanden: Hinfallen, aufstehen, nicht jammern, sondern schauen, was das Leben Schönes zu bieten hat.
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