
Vea Kaisers Kolumne: Niemals Fehlende Fehler
Warum unsere kleinen Makel in Zukunft unser größter Trumpf sein könnten
An jenem Roman, den ich im Oktober veröffentlichen werde, schrieb ich drei Jahre. Und wenn ich ihn kommende Woche abgebe, kann ich sagen, ihn fast ein Jahr lang überarbeitet zu haben. Wie oft ich ihn zuletzt durchgelesen habe? Keine Ahnung. Mein vierjähriger Sohn würde sagen: "Super-mega-giganto-tastisch viel!"
Nicht nur ich, auch mein Lektor, drei Korrektorinnen und etliche Verlagsmenschen haben die 550 Seiten mehrfach gelesen. Und doch fand ich bis zuletzt Fehler. Ein Buchstabe zu viel, ein Beistrich zu wenig, ein falscher Artikel oder Konjunktiv. Manche Fehler schienen sich regelrecht zu tarnen, andere entstanden erst durch vorherige Korrekturen. Und dann gilt für die Zusammenarbeit zwischen österreichischen Autorinnen und deutschen Verlagen natürlich das altbekannte Karl-Kraus-Zitat: "Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache."
Da das mein vierter Roman ist, kenne ich den Prozess. Früher quälte mich jeder Flüchtigkeitsfehler – heute finde ich sie eigentlich super. Denn 2025 sind diese kleinen Schlampereien kein Makel mehr, sondern ein Gütesiegel: ein Zeichen dafür, dass ein Text von echten Menschen gemacht wurde. Menschen machen Fehler. Vielleicht bringt uns gerade die Künstliche Intelligenz dazu, diesen Wesenszug wieder zu schätzen – unsere Imperfektion.
Vielleicht versöhnen wir uns dank KI sogar mit unseren Speckröllchen und Falten, die im letzten Jahrhundert aus der Mode kamen, und erkennen: Nicht wir sind das Problem – sondern die Illusion der Makellosigkeit, die nur Maschinen erzeugen. Liebhaben sollten wir uns also genauso, wie wir sind: unvollkommen, fehleranfällig, menschlich. Damit lebt es sich nicht nur entspannter. Und wenn die KI uns trotzdem auslöscht – dann eben mit Beistrichfehlern, Orangenhaut und Würde.
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