Die Kehrseite ohne Medaille

Im Fall Schlierenzauer entschied der ÖSV richtig. Tat er das auch in einem unvergleichlich tragischeren Fall?
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Eine Goldene garantiert der sonst mit Prognosen so vorsichtige ÖSV-Sportdirektor Hans Pum. Und spricht sie den Seefeldern fürs Organisieren schon vor der WM-Eröffnung symbolisch zu. Ski-Freunde aber beschäftigt das Schicksal WM-Abwesender.

Hat Gregor Schlierenzauer den rechtzeitigen Absprung (= Rücktritt) verpasst? Der erfolgreichste Weltcup-Springer, dem trotz intensivem Training und Materialumstellung keine Höhenflüge mehr gelingen, ist niemandem Rechenschaft schuldig solang er keinem Jung-Adler die Anlaufspur verstellt. Mit der Nichtberücksichtigung von Schlierenzauer (29), für den Jan Hörl (20) ins WM-Aufgebot rutschte, entschied der ÖSV richtig. Doch hat der Verband dies auch in einem unvergleichlich tragischeren Fall getan?

Lukas Müller war 2016 als Vorspringer bei der Skiflug-WM am Kulm gestürzt. Der Junioren-Ex-Weltmeister aus Villach ist seither querschnittgelähmt.

Anders als die Kärntner Gebietskrankenkasse wertete das Bundesverwaltungsgericht nach ÖSV-Einspruch Müllers folgenschweren Sturz als Freizeitunfall. Und das, obwohl von den (damals mit 100 Euro täglich mäßig belohnten) Mutproben der Vorspringer oft Jurybeschlüsse abhängig sind.

Wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, stünde Müller, 26, als Freizeitunfall-Opfer ein Rollstuhleben lang finanziell schlechter da. Die juristische Interpretation Arbeitsunfall indes würde Müller eine bessere Rente plus Zuschüsse bei Therapien und Medikamenten garantieren – andererseits als Präzedenzfall Sportverbände (nicht nur den ÖSV) zu kostenintensivem Umdenken bei der Beschäftigung von Athleten und Betreuern zwingen.

Paragrafen-Slalom hin oder her – von Ski-Präsident Peter Schröcksnadel, der abseits vom medialen Rampenlicht die Krebsforschung mit jährlich sechsstelligen Euro-Summen aus seiner Privatschatulle unterstützt, ist zu erwarten, dass er auch im Falle Müller eine goldene Lösung findet. Ohne das gefinkelte Anwälte medaillenverdächtig werden.

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