Diagnose: „Drama Queen“
Neues von der Hundephysiotherapie. Darias fünfter Behandlungstermin. Diagnose: „Drama Queen, extrem sensibel, noch extremer stur“. Wie der junge Tierarzt, der sie diesmal behandelt, das binnen Sekunden herausgefunden hat, weiß ich nicht. Ich nehme an, er ist selbst extrem sensibel und noch extremer stur – extrem sensibel für feinste Hunderegungen, etwa minimale Zuckungen beim Setzen jeder Akupunkturnadel, und noch extremer stur, wenn es darum geht, den Behandlungsplan umzusetzen, auch wenn sich die zu behandelnde Patientin unterm Schreibtisch versteckt und mit nichts hervorzulocken ist.
Es ist sozusagen der Kampf der Giganten: Die sture Daria hockt in ihrer Höhle unterm Schreibtisch und stellt sich taub. Der sture Tierarzt hockt davor und lockt freundlich, mit süßen Worten und zarten Streicheleinheiten.
Was mich dabei am meisten überrascht: Irgendwann gewinnt der Tierarzt. Daria kommt herausstolziert, lässt sich seine süßen Worte – und noch mehr seine würzigen Hundekekse – auf der Zunge zergehen und schmilzt unter seinen einfühlsamen Handgriffen dahin.
Sensibel und stur
Mit einem Stoßseufzer, der jede Hamlet-Inszenierung arm aussehen lässt, sinkt sie schließlich theatralisch neben mir auf die Behandlungsmatte. „Nicht sooo drammmmmatisch!“, lacht der Tierarzt.
Aber das ist noch gar nichts. Daria kann noch viel dramatischer. Ihre Schauspielschule ist das Leben. Da sie zum Beispiel gelernt hat, dass ihre Lendenwirbel schmerzen, wenn sie mit deutlich größeren Hunden spielt, quietscht sie nun schon vorauseilend auf, sobald sich ihr ein solcher nähert. Und da sie gelernt hat, dass Tierarztbesuche schmerzen können, zieht sie nun schon vorauseilend alle Register, wenn sich ihr ein Tierarzt nähert.
„Sie ist sehr sensibel“, seufzt der Tierarzt. „Und sehr, sehr stur“, setzt er nach. Denn seine Prognose, Daria werde sich binnen fünf Minuten entspannen und jeden Widerstand aufgeben, tritt nicht ein. Dann kommt die gute Nachricht. Er sagt: „Bei Hunden, die so sensibel sind, wirkt die Behandlung viel intensiver als bei anderen.“ Ich frage: „Und bei Hunden, die stur sind?“ – „Wirkt sie trotzdem.“ Daria hört das, entspannt sich – und legt gemütlich ihren Kopf auf mein Bein.
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