Gepierct: Darf man kleinen Kindern Ohrlöcher stechen?
Als Elternteil macht man sich mit so mancher Entscheidung, die das eigene Kind betrifft, angreifbar.
Diese Erfahrung muss derzeit auch Schauspielerin Hilary Duff machen. Die US-Amerikanerin teilte vor einigen Tagen ein Bild ihrer Tochter Banks in ihren Instagram-Stories (nur 24 Stunden abrufbar, Anm.). Darauf ist zu erkennen, dass das Mädchen Ohrlöcher hat.
"Sie hat genug Haare für Stirnfransen! Oh, und ja, wir haben ihr Ohrlöcher stechen lassen", schrieb die Duff dazu. Töchterchen Banks ist acht Monate alt.
Harsche Kritik
Nachdem Duff die Neuigkeiten enthüllt hatte, veröffentlichte sie ein Foto in ihrem Feed. In den Kommentaren darunter entbrannte rasch eine Debatte darüber, ob es angemessen ist, Kleinkindern oder Säuglingen Ohrlöcher stechen zu lassen.
"Viel Schmerz und Unbehagen"
"Ich kann nicht verstehen, warum du denkst, dass es in Ordnung ist, die Ohren deiner Tochter piercen zu lassen. Das hat bei ihr enorm viel Schmerz und Unbehagen verursacht", schrieb etwa eine Userin.
"Konnte sie zustimmen, sie durchstechen zu lassen? Saß sie mit einem Lächeln im Gesicht da, während eine Pistole mit einer Nadel an ihrem Ohr angebracht wurde?", postete eine andere. Und weiter: "Oder ist sie dagesessen und hat geschrien und dich um Trost gebeten und darum, dass du alles wieder gut machst? Und erzähl mir, wie du dich dabei gefühlt hast, als du zugesehen hast, wie ihr unnötig Schmerzen zugefügt wurden?"
"Ich bin dir gerade entfolgt, nachdem ich gesehen habe, dass du ihr die Ohren durchstechen hast lassen, armes Baby. Tschüss!", schrieb ein anderer Nutzer. "Ich kann nicht glauben, dass jemand die Ohren eines Babys durchbohren und unnötige Schmerzen verursachen will, wenn es nicht medizinisch notwendig ist", fügte ein weiterer hinzu.
Uneinigkeit bei Experten
Doch tragen Kinder tatsächlich psychischen Schaden davon, wenn ihnen in jungen Jahren Ohrlöcher verpasst werden?
Die klinische Psychologin und Psychotherapeutin Julie Sweet erklärte der australischen Plattform 10 daily, dass die Entscheidung in erster Linie vom Erziehungsstil abhänge.
"Es gibt kein spezifisches 'richtiges Alter'. Ich befürworte aber, vorsichtig zu sein, Nachforschungen anzustellen, sich über die Risiken zu informieren und zu überlegen, was im besten Interesse des Kindes ist", sagte Sweet. Und weiter: "Es ist etwas, das Schmerzen verursachen kann – und obwohl es sich um ein Baby handelt, werden diese Schmerzen dennoch wahrgenommen. Es ist aber nicht bekannt, ob es negative Auswirkungen hat, ob es etwa als Erinnerung abgespeichert wird oder zu Flashbacks führen kann, wenn es in jungen Jahren passiert."
Der deutsche Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warnt vor dem Stechen von Ohrlöchern bei Kindern. "Ohrlochstechen, Tätowierungen und Piercings bei Minderjährigen sind aus unserer Sicht Körperverletzung", sagte BVKJ-Ehrenpräsident Wolfram Hartmann 2017 im Interview mit der Plattform t-online.de. "Jeder Eingriff in den intakten Körper eines Kindes ist problematisch."
Dieselbe Meinung vertrat der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, Friedrich-Wilhelm von Hesler, im Interview. "Jeder Angriff auf die körperliche Integrität ist eine Körperverletzung - auch das Ohrlochstechen", bestätigte der in Hannover und Berlin praktizierende Arzt. "Das Kind kann nicht einwilligen und die Eltern dürfen nicht in alles einwilligen."
Kinderärztin Maxine Therese sagte gegenüber 10 daily, dass in einigen Kulturen das Stechen von Ohrlöchern bei Babys Teil der religiösen oder kulturellen Sitte sei. "Meiner beruflichen Meinung nach kann es für ein Kind natürlich theoretisch körperlich und psychisch schädigend sein, wenn ihm ohne dessen Zustimmung etwas angetan wird", sagte Therese.
Als besonders drastisches Beispiel nannte die Medizinerin eine Beschneidung. Auch "die Wahl der Religion oder der Schule" könnte problematisch sein. Eltern rät Therese, die Entscheidungen anderer Mütter und Väter zu respektieren und auch hinter ihren eigenen Erziehungspraktiken zu stehen.
Aufmunternde Worte
Auch unter Hilary Duffs Posting finden sich Beiträge, in denen Userinnen und User die Mutter in Schutz nehmen. "Vertrau mir, ich arbeite im Bereich Kindesmissbrauch, das ist KEIN Kindesmissbrauch", schrieb ein User.
"Die Anmaßung und Überheblichkeit der Menschen macht mich wahnsinnig. Warum sorgen sich die Leute nicht um ihr eigenes Kind", betonte ein anderer.
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