Knives Out: Warum der Erfolg mehr Gründe hat als nur Daniel Craig
Meisterdetektiv Benoit Blanc ist mit „Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery“ auf Netflix zurück. Es wird wieder gesellschaftspolitisch brisant.
Es gibt Moden, die niemand mehr auf dem Radar hat und die dann plötzlich wieder da sind: Haferlschuhe, die über Gehsteige der In-Bezirke klacken. Karottenhosen, mit denen die Cool-Kids aussehen wie die eigenen Eltern in ihrer Jugend.
Oder ein Genre, das als so angestaubt galt wie Schlager-Langspielplatten auf dem Dachboden: der klassische Whodunit-Krimi. Jene Filme in bester Agatha-Christie-Manier, in denen das Personal zuverlässig dezimiert wird, bis nur noch eine kleine Schar Verdächtiger übrig bleibt und eine pfiffige Detektivsperson das Mordrätsel löst.
Daniel Craig ermittelt wieder als Benoit Blanc
Die Reihe „Knives Out“ hat dieses piefige Format wieder glamourös gemacht. Dank Daniel Craig, der als exzentrischer Meisterdetektiv Benoit Blanc mit Südstaatenakzent Aufklärungsarbeit in das wahre Streaming-Event verwandelte. Und nun geht es weiter: Am 12. Dezember startet der dritte Teil „Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery“ auf Netflix.
Darin wird ein charismatischer Monsignore während einer Messe vor den Augen seiner Anhänger ermordet. Ein junger Priester, gespielt von Josh O'Connor, gilt als plausibelster Verdächtiger. Dabei könnte fast jeder in der Kirchengemeinde ein Motiv gehabt haben.
Wie in den beiden Vorgängern ist der Starreigen enorm. Glenn Close, Josh Brolin, Mila Kunis und Jeremy Renner gesellen sich zu Daniel Craig. Anders als der poppige und verrissene Vorgänger „Glass Onion“, der im Umkreis eines Tech-Milliardärs und Querdenkers spielte, soll der neue Film eine düstere, fast gotische Geschichte erzählen, inspiriert von Edgar Allan Poe und John Dickson Carr, wie Regisseur Rian Johnson verriet.
Ein persönliche Reise des Meisterdetektivs im neuen Knives Out
Noch etwas macht diesen Teil besonders: „Dieser Film zeichnet Blancs bisher persönlichste Reise nach“, sagte Johnson gegenüber dem Netflix-Dienst Tudum. „Er ist gezwungen, sich auf völlig neue Weise mit dem Fall – und mit sich selbst – auseinanderzusetzen.“
Und auch wenn „Knives Out“ immer wieder auf vertraute Gesichter und klassische Muster zurückgreift – Mord in abgeschlossener Gemeinschaft, verborgene Geheimnisse, verschachtelte Intrigen –, ist es doch auch die Mischung aus gesellschaftlich und politisch relevanten Bezügen, die der Reihe ihre Eigenständigkeit und sicherlich ihren Erfolg verleiht.
Wie der Guardian schrieb, kritisiere der Regisseur in „Wake Up Dead Man“ etwa die zunehmende religiöse Heuchelei der extremen Rechten, und wie blinder Glaube missbraucht werde: „Der unübersehbare Schatten Trumps liegt über Brolins widerwärtigem und destruktivem Gemeindevorsteher, dessen Doppelmoral und hasserfüllte Rhetorik die bedingungslose Unterstützung seiner Anhänger nur noch verstärken.“
Josh O'Connor als junger Priester Jud Duplenticy im Streit mit Monsignore Jefferson Wicks, gespielt von Josh Brolin.
©John Wilson/Netflix/Courtesy of NetflixUnd auch das Time Magazine erkannte bereits im ersten Teil, wie eng die Filme Unterhaltung und gesellschaftlichen Protest verknüpfen. Damals standen Fragen von Einwanderung und sozialem Aufstieg im Zentrum. „Wahre Unterhaltung ist nicht etwas, bei dem man einfach nur die Explosionen anschaut und abschaltet“, sagte Johnson, der zuvor Filme wie den Zeitreise-Streifen „Looper“ oder „Star Wars: The Last Jedi“ inszeniert hatte. „Es braucht mehr als nur Action.“
Darum war Agatha Christie politisch
Die Idee eines modernen Whodunits trug er schon länger mit sich herum; Agatha Christies Romane und deren Verfilmungen gehörten zu seinen frühen Prägungen. Gleichzeitig nahm er wahr, dass das Genre als antiquiert oder politisch irrelevant galt. Doch gerade das Gegenteil sei der Fall, argumentierte Johnson im Time-Interview: Kriminalromane seien durch ihre präzise Untersuchung von Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen „in einzigartiger Weise geeignet, über Machtstrukturen zu sprechen, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind“.
Und: „Christie war keine explizit politische Schriftstellerin, aber sie schrieb stets für ihre Zeit und setzte sich auf unterschiedliche Weise mit der zeitgenössischen britischen Gesellschaft auseinander.“
Daniel Craig lobt Johnsons Fähigkeit, die Krimi-Elemente für die heutige Zeit neu zu interpretieren. „Rians Filme zeichnen sich vor allem dadurch aus, das Genre zu unterwandern. Man beginnt mit dem Gedanken, einen altmodischen Krimi à la Agatha Christie zu sehen – doch dann ändert sich die Perspektive, und man merkt, dass man etwas völlig anderes sieht.“
Von hier stammen die Titel der Knives-Out-Filme
Diese Lust am Brechen von Erwartungen und Sichtweisen zeigt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch bei den Titeln. Während man sich inhaltlich bei gesellschaftlichen Entwicklungen bedient, sind es bei den Filmtiteln musikalische Eigenheiten: Der erste „Knives Out“-Streifen verdankt seinen Namen einem gleichnamigen Radiohead-Song, „Glass Onion“ stammt von einem Beatles-Stück. „Wake Up Dead Man“ wiederum heißt ein Lied vom U2-Album „Pop“ aus dem Jahr 1997.
Die Kirchengemeinde, unter anderem spielt Glenn Close mit, ist nicht so unschuldig, wie sie tut.
©John Wilson/Netflix/Courtesy of NetflixAm Ende zeigt die Reihe, wie viel Leben noch in einem tot geglaubten Genre steckt. Sie funktioniert deshalb so gut, weil sie das alte Rätselspiel nutzt, um etwas über die Gegenwart zu erzählen.
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