Jedermann Philipp Hochmair: "Auch der Altar ist eine Art Bühne"

Er gilt als Rockstar unter den Schauspielern und hat bei den Salzburger Festspielen den Jedermann gegeben. Bekannt dafür, dass er seine Rollen mehr lebt als nur spielt, hat er Persönliches in seinem neuen Buch verraten – und in diesem Interview.
KURIER: Sie sind bekannt dafür, dass Sie „so richtig Krach machen“ wollen. Wo war das zuletzt? Philipp Hochmair:
Auf der Burg Klamm in Oberösterreich, der größten Rockbühne des Landes. Es ging ein Traum in Erfüllung, als ich dort mit meinem „Jedermann Reloaded“ gespielt habe. Nach mir war Lenny Kravitz dran, er hat meine Garderobe übernommen. Es war eine große Ehre, in der Gesellschaft so großer Künstler aufzutreten.
Generell bei Auftritten: Wie finden Sie in Ihre Rolle?
Die Hauptfrage für mich ist: Wie komme ich in meine Konzentration und finde meinen inneren Kern. Zuletzt haben wir im Volkstheater eine Live-Performance gespielt ohne vorherige Absprachen. An diesem Tag war ich sehr aufgeregt. Zuvor war ich in einem Faschings-Laden und habe für 250 Euro Utensilien gekauft und dann dem einen Musiker eine Hasenmaske aufgesetzt, dem anderen Schneckenhörner. Auf einmal entstand so eine große Atmosphäre, eine eigene Welt.
In Ihrem Buch geht es um Erlebnisse aus Ihrem Leben. Zum Beispiel, dass Sie als Siebenjähriger bei einem Schul-Theaterstück Szenenapplaus bekamen, als Einziger. Wie fühlte sich das an?
Ich hätte eine größere Rolle spielen sollen, aber weil ich so schlecht lese, habe ich das abgelehnt. Dann bekam ich eine kleine Rolle und die habe ich mit großer Freude gespielt. Das war wahrscheinlich auffällig. Und ich dachte mir: Lesen kann ich nicht, aber gut aufsagen.
Wenn Sie Ihrem siebenjährigen Ich heute etwas sagen könnten, was wäre es?
Sich weniger irritieren lassen von dem Rudel, das einen umgibt. Die anderen Schüler haben gelacht, wenn ich gelesen, sich dann aber gefreut, wenn ich gespielt habe.
War es dieser Moment, der die Initialzündung für Ihren Weg war?
Die Initialzündung fand in einem anderen Schul-Moment statt. Ich hatte zuhause in der Sammlung meiner Eltern eine Schallplatte des österreichischen Schauspielers Albin Skoda mit Balladen gefunden. Wir sollten damals im Zeichenunterricht den Totentanz von Goethe illustrieren. Sein Duktus faszinierte mich, ich wollte auch so sprechen können.
Als wir irgendwann im Englisch-Unterricht von der Lehrerin aufgefordert wurden, ein Gedicht aufzusagen, war ich der Einzige, der das konnte, sprang auf den Tisch und sagte im Stil von Skoda Goethes „Totentanz“ auf. Das Verrückte war, als die Pausenglocke läutete, sind alle sitzen geblieben, bis ich das Gedicht zu Ende vortragen hatte. Dann war mir klar, das ist es, was ich in meinem Leben tun muss.
Das Buch über Sie wurde von Katharina von der Leyen verfasst, die über dieses und weitere Ihrer Erlebnisse schreibt. Dafür sprach sie mit vielen Weggefährten. Gibt es eine Erzählung, die Sie überraschte?
Ja, dass sie mit meinen Musikern geredet hat und diese sich ihr geöffnet haben. Es sind eher verschlossene Männer, sprechen lieber über ihre Instrumente. Noch nie hat mir einer von ihnen sein Herz geöffnet, aber Katharina hatte den Schlüssel zu ihren Herzen. Sie sprachen auf einmal über Gefühle beim Arbeiten mit mir, und auch über ihre Freude daran.
Wie ging es Ihnen eigentlich damit, jemanden so tief ins Leben reinzulassen?
Katharina von der Leyen wollte ursprünglich Verhaltensforscherin werden und hat unter anderem viele Bücher über Hundeverhalten geschrieben. Sie hat auch Hühner zu Hause und Hühnerbücher geschrieben. Die Idee, dass sie sich einen so einen schrägen Vogel wie mich anschaut, fand ich großartig. Die Idee war, dass sie mich begleitet und über einen „Sommer mit Jedermann“ schreibt, über den Irrsinn in Salzburg. Aber dann kam ein anderes Buch heraus.
Kommt der „Irrsinn in Salzburg“ noch?
Ja, wahrscheinlich. Es gibt aber auch ein ganz eigenes Kapitel darüber im Buch.

Philipp Hochmair im Interview mit freizeit-Chefredakteurin Marlene Auer
Abseits Ihrer Erfahrungen: Welche Szene hat Sie für Ihr Leben besonders geprägt?
Dass Ulrike Beimpold einmal eine Birne gespielt hat. Ich war sechs Jahre alt, sie 16 und spielte die beste Birne der Welt. Als ich sie viel später kennenlernte und ihre Nummer bekam, habe ich sie als „Birne“ in meinem Handy gespeichert.
Wenn Ulrike Beimpold anruft, steht da also „Birne“?
Es war eine Meisterleistung. Das hat mich geprägt.
In Ihrer Kindheit waren Sie auch Ministrant.
Ja, auch das hat mich sehr geprägt. In meinen Stücken sieht man immer Totenköpfe und Kerzen, und diese Motive stammen aus dieser Zeit. Ich saß in der Kirche ganz nahe am Altar, auch das ist eine Art Bühne. Jetzt begegnet mir die Bühnen-Kirche ja wieder in Gestalt des Marmor-Plateaus beim Jedermann.
Apropos Jedermann. Sie sagen, dass Sie ihn noch viele Jahre spielen wollen.
Ja, noch 100 Jahre lang!
Wird gerade Ihnen das dann nicht langweilig?
Nie! Es ist ja immer wieder anders, Schauspieler werden neu besetzt, Requisiten getauscht, innerhalb der Rollen werden Freiräume geschaffen. So bleibt das Stück immer frisch.
Was war eigentlich das Erste, das Sie heuer nach der Premiere getan haben?
Ich bin zum Bieranstich gegangen, habe mir eine große Zigarre angezündet und mich gefreut, dass es geklappt hat. Es gibt so viele Fehlerquellen, aber die Aufführung war wie ein Messerschnitt durch die Butter: ganz sauber.
Verrennen Sie sich manchmal in Rollen?
Das kommt immer wieder vor, aber ich habe mich daran gewöhnt. Es gab eine sehr steile Rolle, die in der Wannsee-Konferenz, das war für mich die krasseste Erfahrung überhaupt. Diese Begegnung mit diesem Abschied unserer Geschichte.
Es war jene Rolle, für die Sie 2022 die KURIER Romy, Kategorie beliebtester Schauspieler Film, ausgezeichnet wurden. Zuvor, 2019, bekamen Sie eine solche in der Kategorie Serie für „Blind ermittelt“. Wo stehen die Statuen bei Ihnen zu Hause?
Im Wohnzimmer. Wobei, ich habe eigentlich kein Wohnzimmer, es ist so eine Art Gesamtraum. Dort stehen sie, sehr sichtbar, auf einem Regal.
Sie sind heuer wieder im Rennen, der Jedermann ist in der Kategorie Publikumshit nominiert. Ihr Votingaufruf?
Wie schon Ministerialrat Schnitzler damals rief: Wählen Sie mich! Ich bin Ihr Mann! Danke.
Kommentare