
Bruce Weber: Wie ein Fotograf die Modebilder der Neunziger prägte
Bruce Weber hat mit Fotos das Schönheitsideal ganzer Jahrzehnte geprägt . Für den Bildband "My Education" öffnet der nicht unumstrittene Künstler sein Archiv.
Dieser Mann sollte die Achtziger und Neunziger bildmäßig prägen. Es war der Fotograf und Filmemacher Bruce Weber, der den damals noch wenig bekannten Rapper Marky Mark – heute besser bekannt als Schauspieler Mark Wahlberg – in Calvin Klein-Unterwäsche posieren ließ. Sixpack, schmachtender Blick, die Hosen tief auf der Hüfte. So setzte er Maßstäbe. Der Bursch – und der Fotograf.
Ralph Lauren, Versace, Abercrombie & Fitch – sie alle wollten Weber auch. Und sie bekamen ihn. Denn wer in den Neunzigern cool aussehen wollte, brauchte ihn. Seine Bildsprache wurde zur visuellen DNA einer ganzen Modeära – ein globaler Bilderstrom aus schönen Menschen, Sonnenlicht und einem Hauch Melancholie.
Bruce Webers Fotos schürten US-Nostalgie
Weber verfeinerte eine glänzende, meist monochrome Werbeästhetik. „Seine herrlichen, tiefen Schwarz-Weiß-Bilder weckten eine neue Art von Nostalgie – nicht für die ländliche Welt oder einfachere Zeiten, sondern für die aufregende Sanftheit der Romantik der Mitte des 20. Jahrhunderts. Mehr als die meisten anderen schuf Weber unsere moderne Sehnsucht nach einer modernen Vergangenheit“, schrieb einmal der Autor Peter Silverton. Nach einer Zeit, als alle neidvoll in die USA blickten.
Gerade ist mit „My Education“ ein neuer Bildband beim Taschen-Verlag erschienen. Weber öffnet erstmals sein Archiv und präsentiert viele unveröffentlichte Porträts einflussreicher Persönlichkeiten wie Anselm Kiefer, Louise Bourgeois, Leonardo DiCaprio und Kim Kardashian. Dazu ist es mit persönlichen Anekdoten über seine Weggefährten gewürzt. Oft hat er sie abgelichtet: muskulöse, junge Männer mit zerzaustem Haar und markanten Kinnpartien. Und sehr oft sehr nackt.
Wie von Abercrombie & Fitch
Die Burschen sehen alle sehr US-amerikanisch aus, wie von der Farm oder aus der Autowerkstatt. Oder wie aus einer Werbung der Marke Abercrombie & Fitch. Webers Fotos hatten einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran, dass aus dem Outdoor-Ausstatter eine nicht unumstrittene, aber von einigen kultisch verehrte Modemarke wurde, wo man sich anstellen musste, um einkaufen zu dürfen.
Bruce Weber hat nie ein großes Geheimnis aus seiner Bildsprache gemacht – sinnlich, körperlich, oft freizügig. „Darüber denke ich nicht so viel nach. Ich fotografiere seit etwa 40 Jahren Mädchen und Jungs mit und ohne Kleidung“, sagte er einst lapidar. Er begreift den Körper als zentrales Ausdrucksmittel.

Doch 2018 geriet der gefeierte Fotograf wie auch sein Kollege Mario Testino in die Schlagzeilen: Mehrere männliche Models warfen ihm vor, seine Machtposition in der Modebranche ausgenutzt und sie sexuell bedrängt zu haben. Weber wies sämtliche Anschuldigungen zurück. Drei Jahre später wurde ein Vergleich geschlossen – ohne Schuldeingeständnis Webers.
David Bowie vertraute Weber
Und doch gibt es da die andere Seite: Berühmte Persönlichkeiten, die ihm vertrauten – unter anderem wegen seiner kolportierten einfühlsamen Art. Selbst David Bowie, nicht gerade bekannt für leichten Zugang, ließ sich von Weber porträtieren. „Als wir uns kennenlernten, stand ich noch ganz am Anfang, er auch“, erinnerte sich Weber in einem Interview mit Vanity Fair. „Also vertraute er mir – und das, obwohl er nicht gerade ein vertrauensseliger Mensch war.“

Bowie habe sich aufgrund der Set-Auswahl und der Zugänge wohl gedacht: „Dieser Typ weiß, was er tut.“ Dabei sah sich Weber eher so: Ich wusste es nicht, und ich weiß es immer noch nicht.
Muffiger Paul Newman
Doch auch Fotografen von Welt sind nicht davor gefeit, dass der Zauber des großen Namens schnell verblasst – wie Weber in seinem aktuellen Bildband über Paul Newman erzählt. Der Moment, als sich Bewunderung und Realität scharf aneinander rieben, bleibt ihm offenbar bis heute präsent: „Dieser gut aussehende Typ, den ich seit meiner Kindheit aus Filmen kannte, sah wirklich fertig aus“, schreibt Weber. „Ich hatte nicht erwartet, dass er der netteste Mensch der Welt oder besonders herzlich sein würde. Aber er ließ uns von Anfang an sehr deutlich spüren, dass unsere Anwesenheit ihm nicht passte.“
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