Brigitte Bardot mit Hut und Gitarre lächelt.

Brigitte Bardot intim wie nie zuvor: Fotos auf Dachboden gefunden

Frei und ohne Filter. Ein neues Buch zeigt unveröffentlichte Fotos der BB. Der Fotograf war ein enger Freund. Das merkt man.

Durch die Linse eines besten Freundes. Wer möchte nicht auf diese Weise fotografiert, gesehen, verewigt werden? Brigitte Bardot hatte dieses Glück, und Schuld daran war ein Zufall: Jicky Dussart hieß der Mann, der BB ein Leben lang so nah sein durfte, und der viele Fotos, die er im Laufe der Jahre von ihr geschossen hatte, bei sich auf dem Dachboden aufbewahrte. Bis jetzt.

Es ist eine Entdeckung, wie man sie sich erträumt. So wie ein unveröffentlichtes Hemingway-Manuskript oder ein verschollenes Gemälde von Picasso. Zumindest für Freunde des Kinos und schöner Frauen.

Brigitte Bardot mit einem großen Hut und einer Rassel in der Hand.

Party auf La Madrague: Bardot tanzt auf ihrem Anwesen in Saint-Tropez zu den Rhythmen des Bossa Nova

©ghislain dussart

BB bediente beides. Was sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des, ja: vorigen Jahrhunderts, für die Öffentlichkeit verkörperte, ist heute in seiner Wirkung vielleicht nicht mehr für alle greifbar. In einem Satz gesagt: Brigitte Bardot war Taylor Swift, Dua Lipa und Sidney Sweeney in einem, und zwar in einer Zeit, als das Wort „Leinwandgöttin“ noch etwas bedeutete. Ein Sexsymbol für die Männer, zugleich aber auch eine Galionsfigur für Frauen, so unverhohlen und selbstbewusst wie sie ihre sexuelle Freiheit einforderte. Eine Frau voller Widersprüche zu sein, das blieb der BB, auch in späteren Jahren.

BB ganz privat

In Peter Turrinis Fernsehserie „Die Arbeitersaga“ aus dem Jahr 1985 wird Bardots Wirkmacht über den Kinosaal hinaus ganz deutlich. Rudi Blaha lebt im muffigen Wien der Sechzigerjahre, ein Werkzeugmacher und junger Gewerkschafter. Doch sein großer Traum ist nur einer: im Sommer nach St. Tropez zu reisen. Dort will er Brigitte Bardot begegnen, dem Inbegriff von Glamour und Erotik jener Zeit. Schließlich wird es doch die Lobau.

Brigitte Bardot mit ihrem Liebhaber Patrick Gilles auf den Bahamas.

Mit ihrem Liebhaber Patrick Gilles auf den Bahamas: „Ich brauchte echte Natur, den Geruch von echter salziger Luft, das Rauschen echter Wellen“

©ghislain dussart

Das neue Buch „Brigitte Bardot: Intimate“ würde Rudi Blahas Herz nun gehörig höher hüpfen lassen. Zeigt es doch all jenes, wovon das Arbeiterkind im Kabinett fantasierte. BB im Bikini in der Sonne. Beim Wasserskifahren an der Côte d’Azur. Beim Feiern mit Freunden. St. Tropez als Dreh- und Angelpunkt ihrer privaten Welt. Hier konnte sie das mit der Diva sein lassen, hier sieht man sie mit weniger Schmollmund, dafür mehr lachen. 

Brigitte Bardot und ein Mann umarmen sich auf einer Treppe in der Nähe der Villa Malaparte.

Villa Malaparte: Arm in Arm mit Regie-Gott Jean-Luc Godard

©ghislain dussart

Als Antipode zeigt der Band unbekannte Aufnahmen von der Bardot in der Filmwelt. Wie sie etwa Arm in Arm mit Regie-Gott Jean-Luc Godard die Stiegen der ikonischen Villa Malaparte auf Capri hinabsteigt, für den Film „Die Verachtung“ mit Michel Piccoli. Oder einfach hinter Kamera und Kulisse, in der Maske, vor dem Schminkspiegel. Bardot backstage. Einmal sieht man sie auch auf der Stufe ihres Wohnwagens sitzend, mit den Füßen in einem Kübel voll Eiswasser. Eine heißkalte Frau. 

Die Vertraulichkeit in den Bildern ist förmlich zu spüren. Keine gestylten, von einem Fotografen arrangierten Bildkompositionen. Vielmehr ein Blick ins private Fotoalbum. Heute würde man sagen: ins private Profil eines Instagram-Accounts.

Brigitte Bardot sitzt mit ihren Füßen in einem Eimer und hält ein Handtuch.

Voll im Eimer: BB an der Stufe ihres Wohnwagens am Set von "Viva Maria!" in Mexiko 1965

©ghislain dussart

Nackt wie Gott sie schuf

Die Bardot, ohne Make-up, beim Spielen mit ihren Hunden. Beim Abtauchen mit Schnorchel, in La Madrague, ihrem berühmten Strandhaus, mit einem Gänseblümchen im Haar, wie sie das Leben eines freigeistigen Bohemiens führt. Auch völlig nackt zeigte sie sich dem Freund Dussart, ausgestreckt wie Gott sie schuf. Ohne dramatische Effekte, einfach: pur. Die Bardot höchstpersönlich sah sich alle Bilder noch einmal durch, ein Streifzug durch die Vergangenheit. „Die Fotos, die er von mir gemacht hat, sind echt, weil ich Jicky vollkommen vertraut habe. Ich wusste, dass er mich niemals im Stich lassen würde.“

Brigitte Bardot mit Hut und Gitarre lächelt.

BB an der Gitarre. Ein Reporter der „Le Monde“ schwärmte einmal von der „stürmischen Verbindung aus dem Klang ihrer Stimme und der Unverschämtheit ihrer Worte“

©ghislain dussart

Wer war der Mann, der BB so nahe sein durfte? Ghislain Dussart, verstorben 1996 und bekannt als „Jicky“, war Fotojournalist bei Paris Match, der legendären Glamour-Illustrierten. Für ihn war die Bardot, so steht es im Buch, „ein Anti-Star, ein barfüßiges Idol, das wie ein wildes Tier durchs Leben geht.“ Er selbst war in Armut aufgewachsen, im tiefen Südwesten und im hartgesottenen Marseille, galt als mutig und gerissen. Und mit einem Sinn fürs Vergnügen. Vielleicht machte all das ihn für die Bardot so interessant. Er malte, lebte einige Jahre in Marokko, ging dann nach Kalifornien, wandelte auf den Spuren von Jack Kerouac. 

Er wollte durch BB an Geld kommen

BB lernte er über ihre jüngere Schwester Marie-Jeanne, genannt Mijanou, kennen. Bardot war noch kein Star, nichts deutete darauf hin, dass sie drei Jahre später die Welt aus den Angeln heben würde (mit „Und immer lockt das Weib“, 1956). Jicky war noch kein Fotograf, sondern Maler. Völlig pleite erhoffte er sich, durch sie an Geld zu kommen, indem sie ihn reichen Leuten vorstellte, die ihm seine Bilder abkaufen sollten. Daraus wurde nichts, stattdessen entstand eine große Freundschaft: „Jicky wurde der Bruder, den ich nie hatte“, so die BB. Zusatz: „Eine Rolle, die manchmal schwer zu erfüllen war, da ich eine unerträgliche Schwester sein konnte.“

Doch Dussart blieb all die Jahre an ihrer Seite. Auch als Komplize. So erzählte Bardot es Fabrice Gaignault, der den Text zu „Intimate“ geschrieben hat und die Bardot in Saint-Tropez besuchte. In einer Laube am Strand von La Garrigue öffneten sie ein paar Flaschen Champagner, es sprudelten die Anekdoten. 

Etwa wie Dussart ihr half, ein Liebesnest für sie und Jean-Louis Trintignant zu finden. Es fehlte an Badezimmer, Heizung, warmem Wasser. Dafür gab es einen Kamin. „Wir verbrachten etwa zehn wundervolle Tage“, so Bardot. „Weit weg von allem Lärm, den Menschenmassen, der Zivilisation und all ihrer Hässlichkeit.“ 

Dussart kannte alle ihre Liebhaber, von Gilbert Bécaud bis zu Bob Zagury. Er sah sie kommen und wieder gehen. Dussart blieb  – und machte weiter Fotos. Geliebte waren Bardot und er nie, dafür „hat Jicky mich beschützt und mir die Kraft gegeben, meine Schüchternheit zu überwinden.“ Seine Bilder zeigen die Frau hinter der Maske des Filmstars.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schrieb für 110%, das Sport- und Lifestyle-Magazin von Die Presse. Seit 2020 Redakteur der KURIER Freizeit mit Reportagen, Kolumnen, Texten zu Kultur, Gesellschaft, Stil, Reise und mehr. Hunderte Interviews, von Beyoncé und Quentin Tarantino über Woody Allen und Hugh Grant bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio sowie in der deutschsprachigen Kulturszene. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Liebt Kino, Literatur und Haselnusseis.

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