Alle lieben Walk: Warum der Alleskönner die Mode eroberte
Früher galten sie als Symbol des Freiheitskampfes, später eroberten sie die Laufstege. Und heute holen heimische Produzenten die ehemaligen Trachtenjanker ins Heute. Wlche Modelle im Trend sind.
Er sollte bodenständig und praktisch sein und wurde zugleich zum Symbol einer politischen Bewegung: der Walkjanker. Denn der war das Markenzeichen von Freiheitskämpfer Andreas Hofer und schrieb mit ihm Geschichte. Im 18. Jahrhundert trugen noch etwa 80 Prozent der Tiroler Bevölkerung das traditionelle Tiroler Kleidungsstück. Die Jacken waren entweder aus gewalktem und verfilztem Strickstoff oder aus Loden – einem gewebten und verfilzten Stoff, der damals oft noch direkt am Bauernhof gewebt wurde.
Ein echter Janker: in Blau von LUIS TRENKER
©HerstellerIn Zeiten der Industrialisierung verschwanden Trachten immer mehr aus dem Alltag und machten der bürgerlichen Kleidung Platz. Aber die Jacke aus gestricktem Stoff, der mit Hilfe von Wasser und Wärme verfilzt wird, wurde nicht ganz vergessen und hatte in Trachtenkapellen und auf Dorffesten noch lange ihren Auftritt. Und verschwand auch dank einiger Modedesigner nicht ganz in der Mottenkiste.
Model Brad Kroenig mit Sohn Hudson Kroenig 2014 auf Schloss Leopoldskron. Brad trug Karl Lagerfelds Trachtenjanker für die „Metiers d’Art“-Chanel-Kollektion
©Getty Images/Gisela Schober/getty imagesKarl Lagerfeld, bekannt für sein Trachten-Faible, holte den Walkjanker in neuem Stil auf den Catwalk. 2014 zeigte er im Schloss Leopoldskron anlässlich seiner „Metiers d’art“-Schau für Chanel eine Kollektion, um altes Handwerk und das Savoir-faire zu bewahren, eine Mischung von Tracht und seinem unverkennbaren Style.
Damals spazierte seine Muse, Model Brad Kroenig mit Sohn Hudson Kroenig, dem Patenkind Lagerfelds, in einem grauen Walkjanker, versetzt mit grünen Bordüren und lockerem Schnitt, über den Laufsteg. Lagerfeld zeigte auch schon davor in seinem Kurzfilm „Reincarnation“, seine Verbundenheit zu österreichischen Traditionen: Er huldigte modisch neben Coco Chanel auch Kaiser Franz Josef und Kaiserin Sissi. Supermodel Cara Delevingne mimte die Kaiserin, eingekleidet in einem Ausseer Dirndl vom Salzburger Trachtenhersteller Gössl. So haben Trachten, insbesondere der Walkjanker, seine Wurzeln in der Alpenkultur zwar behalten, aber dank Lagerfeld wurden sie dazu ins schicke, urbane Umfeld geholt. Auch Designerin Vivienne Westwood hatte übrigens eine Vorliebe für altes Handwerk und Trachten: Sie trug gerne privat handgenähte Zillertaler Hausschuhe, die „Doggln“.
Edler Alpaka-Walk: Sakko von Luis Trenker, 729 €
©HerstellerEin Alleskönner aus Österreich
Jetzt setzen junge Designer mit dem Walkjanker aus heimischen Produktionsstätten modische Statements für Alltag und Freizeit. Denn der früher harte und kratzige Walkstoff, einst mühevoll auf Almen in Heimarbeit erzeugt, wird heute in modernen Betrieben hergestellt, ist fein, funktional und nachhaltig. Und wird auch immer stylisher. Neben klassischen Janker-Modellen wird der verfilzte Strick schon lange von Traditionsbetrieben wie Stapf, Huber Walk, Frauenschuh, Gössl und vielen anderen als hochwertiger Walkstoff für schicke Sakkos und lässige Kapuzensweater eingesetzt. Und in extra dünner Form sogar für ganze Anzüge, etwa bei Stapf. Michaela Huber ist Designerin und Produktentwicklerin bei der Wörgler Textilmanufaktur.
Ein ganzer Auszug aus feinerm Wollwalk, von Stapf
©Hersteller„Der Janker war das erste Unisex-Teil auf der Alm, man hat einfach Doppelknöpfe angenäht. Noch heute stricken wir das Garn und walken die Stoffe auf natürliche Weise mit Wasser ohne Chemiezusätze“, so Huber. „Die Garne beziehen wir von Familienbetrieben in Österreich und der Toskana und verarbeiten etwa beim Walker TJ grobe, wasserabweisende Shetland-Schurwolle.
Rotes Walkhemd mit Knöpfen von LUIS TRENKER, 349 €
©HerstellerFür Hosen und Sakkos hingegen feinen Merino-Walk. Der Walk ist ein wahrer Wunderstoff, funktional und wärmend von Natur aus.“ Der Trend geht bei Stapf Richtung Retro und Vintage, Schnitte werden aus dem Archiv wieder ausgegraben, das Material mit modernen Silhouetten zu Unisex-Modellen verarbeitet, die locker getragen werden.
Mit Kapuze und Zipp: Walkjacke Kian von Frauenschuh, 800 €
©Hersteller„Die Walktechnik ist aus der alpinen Tradition entstanden, lässt reine Schafwolle so verfilzen, dass sie strapazierfähig, wetterfest und gleichzeitig atmungsaktiv wird“, so Lauren Frauenschuh, die Walk für die Modekollektionen seit 25 Jahren erfolgreich im Tiroler-Familienunternehmen in Kitzbühel einsetzt. Dabei zeigt Frauenschuh klare, reduzierte Schnitte bei Hemden und Jacken, ohne rustikales Beiwerk. Ein Stil, den auch der Südtiroler Designer Andreas Steiner mit seinem Label RIER vertritt.
Walker jacket athletic plombe von RIER, auch in Greige erhältlich, 960 €
©HerstellerRier startete seine Karriere bei Prada, Miu Miu und Louis Vuitton und macht seit 2019 in Paris mit seiner luxuriösen Heritage-Kleidung Furore, die er zeitgemäß interpretiert. „Walk gefällt den Leuten einfach“, so Steiner. „Wir verwenden nur reine Naturmaterialien, also Walk, Loden etc. und beziehen die Stoffe oft von lokalen Betrieben in Österreich, Deutschland und Südtirol.“
Kapuzensweater Kufstein von Huber Walk, 209 €
©HerstellerAuch die steirische Walkerei Huber im Ennstal walkt in ihrer Wollwerkstatt alles – vom Janker bis zum Fäustling. Echte Luxusmodelle gibt es von Luis Trenker: Traditionelle Jacken wie der Hofer-Walker sind aus edlem Alpaka-Schafwollmix.
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