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Shoppen wie Lady Diana oder Churchill: Londons feinste Läden

Dianas Parfum, Churchills Zigarren und Oscar Wildes Anti-Kater-Tinktur. Der neue Bildband „Feine Läden London“ führt zu spektakulären Traditionshäusern.

Der dunkle Ledereinband ist an den Kanten leicht abgewetzt, das Papier im Laufe der Jahre leicht vergilbt. Und doch ist das Büchlein in dem holzvertäfelten Hinterzimmer mit den Glasvitrinen und den filigranen Fläschchen unverzichtbar. Enthält es doch streng gewahrte Geheimnisse: „1 Dram Rosenöl“ steht auf einer der dicht beschriebenen Linien; auf einer anderen „½ Dram Zedernöl“.

In der britischen Parfümerie Floris findet man Parfums nämlich nicht nur in schlanken Flakons. In einer zweistündigen Beratung darf man vielmehr an unterschiedlichsten Essenzen riechen, bis man seine eigenen Basis-, Herz- und Kopfnoten gefunden hat. 

Londons Feine Läden

Ein Blick hinter die Kulissen beim KURIER-Lokalaugenschein.

©Bauer Anna-Maria

Das Rezept wird fein säuberlich notiert, sicher verwahrt und bleibt für immer das ganz eigene. „Es tut uns sehr leid“, erklingt die freundliche Absage auf die Frage, ob man einen Blick auf das Rezept von Prinzessin Diana werfen dürfe. Diskretion herrscht im Floris selbst lange über den Tod hinaus. Doch nichts anderes würde man sich von einer Boutique erwarten, die Königinnen und Prinzen bedient.

Damit ist das Floris in diesem Grätzel von London übrigens nicht allein.

Dandys Paradies

Wer durch die englische Hauptstadt bummelt, bleibt schnell an den niedlichen Boutiquen hängen. Mit ihren oft bunten Holzrahmen und den liebevoll dekorierten Schaufenstern werden während eines Wochenendtrips fast zu viele von ihnen zum Fotomotiv. Doch hinter manch einer dieser Glastüren verbirgt sich mehr als nur feine Produkte: Die Holzdielen knarren unter dem Gewicht der Geschichten, Verkaufsbücher zitieren die Namen hoher Nobilität.

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"Feine Läden London" heißt der neue Bildband von Horst A. Friedrichs (Fotograf) und Stuart Husband (Autor). Frederking & Thaler, €39.99.

©Frederking & Thaler

Fotograf und Wahllondoner Horst A. Friedrichs hat mit Autor Stuart Husband die feinsten Traditionshäuser der Stadt für seinen neuesten Bildband „Feine Läden London“ (Frederking & Thaler) aufgesucht. Die hat er ganz persönlich zu einer besonderen Auswahl davon geführt.

Aus der Tür des Floris getreten, geht es nach links, die Jermyn Street entlang, vorbei an einer Statue des Dandys Beau Brummell, der hier überall Stammgast war. An der Kreuzung zur St James’s Street noch einmal links – und schon steht man vor dem Schaufenster, auf dem in Goldlettern „D. R. Harris“ prangt. „Das ist die älteste Apotheke Englands“, verrät Friedrichs und bittet einzutreten.

„Pick me up“

Hier, an der dunkelbraunen Holztheke mit dem wunderbaren Apothekerschrank stand einst regelmäßig Oscar Wilde, um sich seinen „Pick-me-up“ zu holen. Diese Anti-Kater-Tinktur des 19. Jahrhunderts wurde in Weingläsern gereicht. „Damals“, erzählt Geschäftsführer Julian Moore, „haben wir das Tonic noch direkt im Geschäft serviert.“ Heute wird die Tinktur in leicht abgewandelter Form – „ohne Alkohol“ – in kleinen Fläschchen für den Heimbedarf verkauft. Mit Kardamom, Enzian, Gewürznelken und Honig aus dem Regent’s Park. Beruhigend und dabei gleichzeitig appetitanregend.

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Ebenfalls im Bildband vertreten: D.R. Harris, die älteste Apotheke von England, in der einst Oscar Wilde Kunde war. (C) Horst A. Friedrichs

©Horst A. Friedrichs

Während man heute Drogerien oftmals mit Make-up-Schränken und Teeregalen verbindet, präsentiert sich D. R. Harris als Männerrefugium (auch wenn Frauen ausdrücklich willkommen sind). Auf den dunklen Holzregalen liegen feine Dachshaarpinsel, die berühmten Soap-on-a-Rope-Duschseifen und herrlich herbe Eau de Toilettes. Die nobelste Duftnote – fruchtig dank Orange und Bergamotte, ledrig warm durch schwarzen Pfeffer, Sandelholz und Vetiver – heißt „Windsor“. Es ist wenig überraschend, dass diese Apotheke nach Queen Elizabeth auch von König Charles zum Hoflieferanten ernannt wurde.

75 Zigarren um 85.000 Euro

Ein paar hundert Meter die St James’s Street hinunter wandelt man dann auf den Spuren eines nicht minder berühmten Briten. Wir betreten einen Ort, in dessen Lederfauteuils man auch 18 Jahre, nachdem das Rauchverbot in Großbritannien in Kraft trat, paffen darf. Denn im vornehmen James J. Fox werden die feinsten, handgerollten Zigarren der Welt verkostet. Im Humidor im hinteren Teil des Geschäfts werden bei einer peniblen Luftfeuchtigkeit zwischen 69 und 72 Prozent berühmte Marken wie Romeo y Juliet oder Padron zum Verkauf angeboten. Das teuerste Stück, die Humidorbox von Trinidad, kommt mit 75 Zigarren auf umgerechnet 85.000 Euro.

Das wahre Highlight befindet sich im kleinen Zigarren-Museum einen Stock tiefer. Dunkelbraun, mit Nieten, solider Lehne und am linken Arm so abgewetzt, wie es nur historische Unikate sind: der Ledersessel, in dem sich der frühere britische Premierminister Winston Churchill eine Romeo y Julieta No. 2 genehmigte. Diese Zigarre sei so sehr mit dem Premier verbunden, verrät ein Mitarbeiter im Geschäft, dass sie heute „Churchill“ heiße. 

Doch der britische Premier war freilich nicht nur feinem Tabak zugetan, sondern auch edlem Sprudel. Im Laufe seines Lebens soll er nicht weniger als 42.000 Flaschen Champagner konsumiert haben. 

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Edle Tropfen: Bei Berry Bros. & Rudd ließen sich Winston Churchill oder Theodore Roosevelt mit Chablis versorgen. (C) Horst A. Friedrichs

©Horst A. Friedrichs

Als solch ein Gourmet war Churchill gern gesehener Gast im Ecklokal am unteren Ende der St James’s Street. Hinter den halbrunden Schaufenstern mit den meterhoch gestapelten Holzkisten befindet sich die Wein- und Spirituosenhandlung Berry Bros. & Rudd

1689, in einer Zeit, in der Frauen entweder von ihrem Vater, Ehemann oder Bruder abhängig waren, startete die „Witwe Bourne“ einen Kaffeeladen, der sich bald in eine der exklusivsten Adressen des Vereinigten Königreichs wandelte und sich später erfolgreich auf Wein und Spirituosen konzentrierte. In der Kühlkammer des neuen Shops werden Flaschen im Wert von 42.000 Euro gelagert.

Ein Kuriosum

Im 18. Jahrhundert strömten die Briten aus kuriosem Grund zu den Berry Bros., verrät Weinausbildungsleiter Rebecca Lamont und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen: „Um sich wiegen zu lassen.“ Das Ziel dabei: je schwerer, desto besser. König George III., der den Trend losgetreten haben dürfte, soll rund 150 kg gewogen haben.

„Die historischen Waagen gibt es heute noch ebenso wie –“ Lamont hält im Satz inne, geht über die knarrenden Holzdielen zum Safe im Arbeitszimmer und holt ein rot eingebundenes Buch heraus. Sie blättert kurz darin, sucht eine bestimmte Stelle. 

In fein säuberlicher Schreibschrift steht in dem linierten Haushaltsbuch: „Mrs Theodore Roosevelt, 19. Juli 1950“ Dahinter sind ihre Maße festgehalten. Doch diese teilt Rebecca Lamont nicht. 

Auch Berry Bros. & Rudd ist eben ein Ort, an dem Diskretion die Zeit überdauert.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Schreibt seit 2021 als freie Autorin aus London für den KURIER über Politik, Royals und Lifestyle. Zuvor acht Jahre in der Wien-Chronik.

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