Kult am Kopf: Warum Hoodies bequeme Allrounder sind
Kapuzenpullis sind im Alltag nicht mehr wegzudenken. Selbst Luxuslabels setzen auf die bequemen Pullover mit der angenähten Kopfbedeckung. Warum sie einst verboten waren, wie sie zum Kult wurden und wo man sie trägt.
Dunkle Gestalten huschten einst mit verhüllten Köpfen durch die Gewölbe des Klosters Eberbach im Rheingau. Es waren Sean Connery und Christian Slater im berühmten Film „Der Name der Rose“. Sie zogen ihre Kapuzen tief ins Gesicht, um unerkannt zu bleiben. Womit wir auch schon beim Ursprung der Kopfbedeckung wären: Schon im 12. Jahrhundert wurden die ersten Kleidungsstücke mit angenähter Kapuze gefertigt, die an Mönchskutten oder Umhängen angebracht waren. Auch der Kapuzinerorden verdankt seinen Namen der markanten Kapuze an der Franziskanerkutte. Im Biedermeier trugen Damen im Winter lockere Kapuzen über ihren Lockenköpfen, sie waren an weite Umhänge aus Samt oder Brokat genäht. Dann verschwand die Kapuze lange aus dem Alltag.
Authentic Hoodie von Levis, 79,95 € (Auch auf dem Foto ganz oben)
©HerstellerHeute ist sie ein Trendstück in fast jedem Kleiderschrank. Erst in den 1930er-Jahren tauchte die Kopfbedeckung wieder auf: diesmal als Arbeitskleidung in Amerikas Kühlhäusern. Entwickelt und produziert übrigens von einem der traditionsreichsten ersten Sportmodelabels, das bis heute existiert: der Firma Champion.
Danach eroberte die Kapuze nach und nach die Sportwelt und in den 1990er-Jahren machten Skater und Surfer den Hoodie zum internationalen Kennzeichen und Streetwear-Must-have. Nur ob der Kapuzenpulli oscartauglich ist, bleibt fraglich. Als Schauspieler Adam Sandler bei der heurigen Verleihung des begehrten Filmpreises zwischen den Männern im Smoking aufsprang, zeigte sich, dass er seinem Grunge-Stil auch zwischen Couture-Roben treu geblieben war: Er trug einen weiten, blitzblauen Logo-Hoodie, die Kapuze über den Kopf gezogen, Hawaiihemd, Shorts und bunte Sneakers. Dafür kassierte er prompt Spott von Moderator Conan O’Brien: „Du siehst aus wie jemand, der um zwei Uhr nachts Videopoker spielt.“
Adam Sandler im blitzblauen Hoodie bei der heurigen Oscar-Verleihung
©Disney via Getty Images/Frank Micelotta/Getty ImagesIkonisch war sein Look dennoch, denn er passte zu seinem Image. „Niemand hat sich Gedanken darüber gemacht, was ich trage, bis Sie es angesprochen haben“, rief Sandler zu O’Brien hinüber, „ich mag es, wie ich aussehe“, sagte er und stürmte aus dem Saal. Und das bleibt ja das Wichtigste bei jedem Look: Nur wer ihn selbstverständlich trägt, wirkt authentisch.
Vom Status zum Hip-Hop-Symbol
Der Hoodie, Teil des „Tomboy-Stils“ – lässige, bequeme Kleidung, die auch unisex getragen werden kann – ist heute besonders bei Streetwear-Liebhabern und Sport-Fans gefragt. Doch der Pulli mit der Kapuze begann seinen Siegeszug in den Alltag erst mit Beginn der 1960er-Jahre. Damals mussten Kapuzensweater und -pulli als Werbeträger für die amerikanischen Elite-Universitäten herhalten und wurden von Studenten gerne als Statussymbol und Teil ihrer „Schuluniform“ getragen. In den 1970er-Jahren wurden sie dank ihrer Bequemlichkeit zum Liebling der Hip-Hop-Kultur, die den Hoodie gerne von Graffiti-Künstlern veredeln ließ.
Schick und urban in edlem Off-White aus Loden von COS, 99 €
©HerstellerDie Kapuze diente auch bei Demonstrationen und Veranstaltungen dazu, das Gesicht zu verbergen – genau wie einst die dunklen Mönche im Film „Der Name der Rose“. Da die meisten Sprayer illegal werkten und vor der Polizei flüchten mussten, bekam der Hoodie den Ruf eines etwas anrüchigen, asozialen Underground-Symbols. Dann kam Rocky und machte alles wieder gut: Sylvester Stallone lief 1976 als Rocky Balboa mit einem grauen Hoodie, kombiniert mit Beanie und Schal über New Yorks Highways. Und immer mehr Sportmarken nahmen sich dem Thema Kapuze an; das frühere Trainingsteil wurde zum ikonischen Streetstyle-Look, das Freiheit und Nonkonformismus versprühen sollte.
Hoodie von Ecoalf, 179,90 €
©HerstellerAuch die Hip-Hop-Kultur von DMC, Tupac, Eminem, Jay-Z oder Kanye West nahmen dem Kleidungsstück ab den 1970ern endgültig den „asozialen “ Nimbus und hoben den Hoodie auf die Bühne von Kunst, Kultur und Luxus. Halston brachte Sweatshirts in den 1970ern in die Modewelt, Giorgio Armani folgte in den 1980ern, Tommy Hilfiger erhob sie in den 1990ern zum Mainstream.
Sportlicher Unisex-Sweater Tommy Hilfiger, 169,95 €
©HerstellerDoch eigentlich durfte man vor 2005 nicht von „Hoodie“ sprechen. Denn bis dahin nannte man die Pullis einfach „hooded sweatshirts“, „Sweatshirt mit Kapuze“.
Erst Verbot, dann It-Piece
In England galten sie damals immer wieder als Uniform der Asozialen und wurden sogar mit einem Verbot belegt. 2005 wurden einige Teenager in Hampshire mit den sogenannten „Anti-Social Behaviour Orders“ belegt, die ihnen das Tragen von Kapuzenpullovern unter Androhung von Gefängnisstrafen untersagte. Damals nutzte David Cameron das Thema für seine Parteirede und machte „Umarme einen Kapuzenpullover“ zu seinem Slogan.
Bestickter Signature Hoodie von Louis Vuitton, 1.600 €
©HerstellerDas war das erste Mal, dass der Kapuzenpulli als „Hoodie“ bezeichnet wurde und seinen Nimbus als bürgerliches Kleidungsstück zurück erhielt. Bis er 2012 erneut politisiert wurde: nämlich mit der Ermordung von Trayvon Benjamin Martin durch einen Polizisten in Florida. Das einzige Verbrechen des unbescholtenen Jugendlichen afroamerikanischer Abstammung bestand darin, einen Hoodie getragen zu haben.
Preppy-Chic in Hellblau von Alpha Industries, 69,99 €, über Peek & Cloppenburg
©HerstellerBei dem darauf folgenden „Million Hoodie March“ in New York demonstrierten alle Teilnehmer friedlich im Hoodie, um damit zu beweisen, dass man nicht asozial sein muss, wenn man einen Hoodie trägt.
Sportlicher Ski-Sweater Kristan von Bogner Fire+Ice, 180 €
©HerstellerMarc Zuckerbergs Hoodie aus den Nullerjahren, versteigert kürzlich um über 15.000 Dollar, war Symbol der Tech-Kultur und dank Vetements von Demna Gvasalia, Off-White von Virgil Abloh und Yeezy von Kanye West, wurden Hoodies zum luxuriösen Statussymbol einer ganzen Modegeneration.
Sanftes Rot, mit oder ohne Logoprint, von Colmar, 129 €
©HerstellerSelbst Karl Lagerfeld, bekannter Gegner der Jogginghose, brachte in seiner Marke „Karl Lagerfeld Jeans“ Hoodies heraus.
Egal ob Luxus-Hoodie von Louis Vuitton oder Sportmodell von COS: heute trägt man Hoodies unter Sakkos im Business wie lässig oversized zum Workout – Hauptsache, man fühlt sich darin gut und entspannt.
Kommentare