Seit wann es Urlaub für alle gibt

Alles begann mit dem Onkel von Thomas Cook, der ein Säufer war. Der 14-jährige Cook aus Derbyshire musste früh die Schule verlassen, um zum Familieneinkommen beizutragen – beim alkoholabhängigen Onkel John Pegg erlernte er das Tischlerhandwerk. Und wurde fanatischer Abstinenzler. Er initiierte Demonstrationen gegen Alkoholmissbrauch und organisierte 1841 eine Reise:
Um einen Schilling pro Person – 3. Klasse ohne Sitzgelegenheit in offenen Waggons, aber mit Schinkenbrot und Tee – ging es per Bahn von Leicester ins nahe gelegene Loughborough. Diese Reise – Vorläuferin der später von Cook organisierten Pauschalreisen – ist der Anfang des Massentourismus.
Grand Tour
Lange war Urlaub Wohlbetuchten vorbehalten: Junge Adelige gingen auf Grand Tour durch Europa und besichtigten antike Kulturstätten. „Ab dem Vormärz begann dann das gehobene Bürgertum vor der Sommerhitze zu flüchten“, weiß der Innsbrucker Wirtschaftshistoriker Wolfgang Meixner.
Lehrer, Rechtsanwälte, Industrielle aus Deutschland schlossen sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Alpenverein zusammen und bauten in den Bergen Destinationen auf, hauptsächlich Hütten auf 1.800 bis 2.300 Meter Höhe. „Wenn man einmal oben war, wanderte man von Hütte zu Hütte, fünf bis sieben Tage lang. Das war im Bürgertum ein begehrter Urlaub. Darum tragen viele Hütten in Österreich bis heute Namen deutscher Großstädte: Berliner, Frankfurter, Dresdner oder Leipziger Hütte.“
Sozialtourismus
Es sollte aber bis Ende 1800 dauern, ehe Urlaub zum kleinbürgerlichen Phänomen wurde und auch die proletarische Klasse über Sommerfrische nachdachte. Als Sozialtourismus – preiswerter Massentourismus, organisiert und oft bezuschusst durch Gewerkschaften – imitierte man den Alpenverein.
Bald wurde sogar der Regenerationswert des Urlaubs wissenschaftlich untersucht.
Historiker, Universität Innsbruck
Trotzdem blieb die Sommerfrische ein elitärer Spaß. „Wenn man das Massenphänomen beleuchten will, muss man andere Themen mit einbeziehen, die Voraussetzung sind“, sagt der Wirtschaftshistoriker. „Die Menschen müssen Zeit haben, Urlaub zu machen. Urlaubsanspruch ist etwas, das in der Masse erst am Anfang des 20. Jahrhundert ankam.
Es war 1919 eine der Errungenschaften der jungen Republik, von allen Parlamentsparteien beschlossen.
Etwa zur selben Zeit entstanden in ganz Österreich „Verschönerungsvereine“, die touristische Infrastruktur aufbauten und Ausflugsziele erfanden. „Fremdenzimmer“ machten Urlaub für jene erschwinglich, die keine Häuser am Land besaßen. „Denn der schönste Urlaubsanspruch nutzt nichts, wenn man keine Kaufkraft hat“, meint Meixner trocken. Aus dem elitären Spaß wurde erst mit steigenden Löhnen und dem „Wirtschaftswunder“ ein breites Phänomen.
Es war auch die Zeit, da sich junge Leute auf den Motorroller setzten und nach Italien aufbrachen. Ab da war es nur noch eine Frage der Zeit, dass die Sommerfrische aus der Mode kam.
Kommentare