Ich bin eine von denen, die hier sind, weil sie Sehnsucht nach dem Analogen in einer Welt der Digitalisierung haben. Die Ruhe auf dem Selbsterntefeld, im Marmelade-Einkochen oder im Pullover-Stricken suchen. Eine von denen, die Töpfer-Kurse besuchen. In Zeiten vor Corona, wohlgemerkt, als Töpferkurse noch möglich sind. Freuen wir uns auf Zeiten, wo sie es wieder sein werden.
Im Atelier von Marianne Seitz sind es hauptsächlich Frauen, die sich auf Sinnsuche begeben. „Für Männer, die Anschluss suchen, ist das hier eine g’mahde Wiesn“, sagt Kursleiterin Marianne nonchalant. Ein, zwei Quotenmänner kämen hin und wieder. Darunter ein gewisser Boris, der sich seit Jahren ausschließlich mit japanischen Schalen beschäftigt. Ja, eine Schale will ich mir auch vornehmen, das scheint realistisch, selbst, wenn es sich um eine Schnupperstunde handelt und ich blutige Anfängerin bin. „Ich will versuchen, eine Schale zu töpfern“, sage ich zu Marianne. Sie lächelt milde. „Du wirst versuchen, den Ton auf der Töpferscheibe zu halten.“ Sie wird recht behalten.
Schon das Kneten ist nicht so einfach, wie es bei Marianne aussieht. Anders als beim Kneten eines Kuchenteigs, müsse man versuchen, die Luft herauszukneten. Ich schaue wissend drein, um sie im Glauben zu lassen, ich sei, wenn schon nicht Töpferin, wenigstens Bäckerin. Der Tonklumpen ist hart und ungnädig und die Finger schmerzen schnell. Ich soll meine Ruhe in den Ton übertragen, lerne ich, denn der Ton spüre alles. Auch, dass ich nicht sehr ruhig bin.
Mit dem (hauptsächlich von Marianne) perfekt gekneteten Batzen versuche ich mich nun an der Töpferscheibe. Streng und zart zugleich soll ich mit dem unbändigen Klumpen sein. Zen-Buddhismus kurz vor der Erleuchtung, sei das Ziel. Jeder Schritt soll achtsam und bedächtig sein. Aber kein Herumgestreichle! Ich bin der Ruhepol und bestimme, wo der Ton hin soll, sagt man mir. Leider hat der Ton das nicht verstanden. Marianne übernimmt und zentriert, wie es im Fachjargon heißt, also schaut, dass der widerborstige Batzen in der Mitte der Töpferscheibe bleibt.
Die Hände bleiben auch beim nächsten Schritt „ein Team“: Der Daumen bekommt Kraft von Links, während er den Ton „aufbricht“, also ein Loch in die Masse bohrt. Dabei muss alles flutschig bleiben.
Töpfern aktiviert beide Gehirnhälften, weil man beide Hände braucht, sage ich mir. Ich, Zen-Buddhistin. Ich versuche, den Klumpen samt Loch in die Höhe zu ziehen. Noch bin ich nicht entmutigt. Schließlich geht der Trend zum Unperfekten. Vielleicht schaffe ich zumindest ein windschiefes It-Piece?
Drei Versuche später weiß ich: Man sollte den Ton nicht loslassen, wenn sich die Scheibe noch dreht.
Ich soll mich mit dem Ton anfreunden, hat man mir gesagt. Es hat heute leider nicht geklappt. Der Ton und ich, wir gehen jetzt wieder getrennte Wege.
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