"Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die im privaten, schulischen und beruflichen Alltag selbstverständlich zu ihrem Stottern stehen, haben eine wichtige Vorbildfunktion für Betroffene aller Altersgruppen und deren Angehörige", weiß Logopädin Petra Nickel, die sich für eine Entstigmatisierung der Sprechstörung einsetzt. Joe Bidens Präsidentschaft würde zeigen, worauf es vor allem ankommt: sich in die Gesellschaft einzubringen, stotternd oder auch nicht. "Wenn sie zudem die Gelassenheit entwickeln, aufkommende Symptome nicht zu verstecken, sondern offen zu zeigen, ist noch mehr für die Enttabuisierung und Entstigmatisierung dieser Redeflussstörung getan."
Pausen einlegen
Bereits im Wahlkampf machte der 77-jährige Biden anderen stotternden Menschen Mut, etwa dem 13-jährigen Brayden Harrington, den er bei einer Veranstaltung in New Hampshire traf. Er habe ihm erklärt, dass er immer noch manchmal stottere, etwa, wenn er müde sei. Er müsse sich dann selbst ermahnen, nicht zu schnell zu sprechen und baue zwischen Sätze Schrägstriche ein, die ihn zu Pausen ermahnen.
"Lass dich nicht dadurch definieren", ermutigte er den Teenager. "Du bist gutaussehend, klug, ein guter Mann." Stottern, das habe ihm seine Mutter immer gesagt, habe nichts mit seinem Intelligenzquotienten zu tun. Mit etwa 25 stotternden Personen hält Biden persönlichen Kontakt, gibt ihnen Tipps und stärkt ihr Selbstvertrauen.
Auch Harrington bat er um seine Telefonnummer. "In der kurzen Zeit hat mich Joe Biden selbstbewusster gemacht bei etwas, das mich schon mein ganzes Leben lang gestört hat", sagte der 13-Jährige.
Ursachen nicht psychisch
Stottern tritt immer vor dem zwölften Lebensjahr auf und verschwindet bei einem Großteil der Kinder bis zur Pubertät wieder. Buben sind dreimal so häufig betroffen. Zwar sind die Ursachen nicht genau geklärt, Einigkeit herrscht aber darüber, dass es sich um keine psychische Störung handelt - ein Vorurteil, mit dem stotternde Menschen immer noch häufig konfrontiert werden.
Je früher man mit einer Sprachtherapie beginnt, desto höher sind die Chancen, im Erwachsenenaltern flüssig zu sprechen.
Durch den oscarprämierten Film "The King's Speech" über den stotternden König George VI. rückte die Redeflussstörung 2011 stark in den Fokus der Öffentlichkeit.
Der Vater von Queen Elizabeth II. ist nicht der einzige berühmte "Stotterer": auch Marilyn Monroe, Winston Churchill oder Albert Einstein stotterten, ebenso wie Popstar Ed Sheeran oder Actionheld Bruce Willis, der sein Handicap beim Theaterspielen überwand. Joe Biden ist nun ein weiteres Beispiel dafür, dass man trotz Stotter-Diagnose alles im Leben erreichen kann - sogar das Weiße Haus.
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