Her mit euch! Ein Loblied auf "verbotene Vergnügen"

17th Japan Day in Duesseldorf
Es gibt Dinge, die weiß man erst zu schätzen, wenn man sie einmal eine Weile NICHT getan hat. Und es gibt Dinge, die man endlich machen sollte – wenn wir es denn wieder dürfen! Ein Überblick.

Er stand einmal in jeder Großstadt. Und in vielfacher Ausführung auf jedem Musik-Festival. Schlabberlook, Hängeschultern, Bauchansatz, fragwürdiger Deo-Konsum. Und ein Schild, mit schwarzem Edding auf Karton gemalt, vor sich stehend oder gleich, um das armselige Erscheinungsbild abzurunden, an einer Schnur am Hals baumelnd. Free Hugs!

Der „Umarmungen“-Mann wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Können wir uns überhaupt an ihn erinnern? Wichtiger noch: Sind wir jemals auf die Idee gekommen, den Typen wirklich zu umarmen? Sicher nicht! Doch jetzt, nach endlosen Monaten der physischen Distanzierung, erscheint er einem beinahe wie ein fernes, verlockendes Versprechen. Und zumindest ich für meinen Teil bin fest entschlossen, wenn wir wieder dürfen: Der Erste dieser Art, der mir 2021 über den Weg läuft, wird von mir umarmt. Ganz fest!

Ein beinahe noch dringlicheres Bedürfnis: Den Kassierinnen im Supermarkt, die über lange Zeit zu den wenigen und wichtigsten Sozialkontakten zählten, einfach mal die Hand zu schütteln. Mit einem „Danke“ und einem Lächeln, das man   auch wirklich sieht.

Schwiegereltern

Und natürlich: Großfamilienfeiern! Egal, ob zu Ostern oder erst im Sommer, denn das Sechs-Personen-Weihnachtsfest hat uns gezeigt, wie sehr man Tanten, Onkel und Cousinen vermissen kann. Sogar Schwiegereltern und verwöhnte Nichten und Neffen, die herumschreien, quengeln und immer unzufrieden sind, betrunkene Großonkel dritten Grades, die anzügliche Witze machen und hysterische Schwägerinnen am ewigen Rande des Nervenzusammenbruchs.

Man muss sich nur ein wenig zurücklehnen, die orchestrale Kakophonie auf sich wirken lassen. Dann sieht man die seligen Gesichter der Omas, bekommt vom Großonkel einen Klaps auf die Schulter und ein Bier in die Hand gedrückt und weiß: Das ist Familie, und es ist einfach großartig.

Leberkässchwaden

Der herzhafte Geruch von Leberkässchwaden in einem voll besetzten Zug? Her damit! Intensiver Körperkontakt mit wildfremden, verschwitzten Menschen? Unbedingt! Und nein, wir reden hier nicht vom Swinger-Club – wie ging's denen eigentlich im vergangenen Jahr? Eine Branche, die kaum Beachtung fand! – sondern vom beinahe schon vergessenen Erlebnis eines Livekonzerts. Oder vielleicht endlich einmal  Stagediving!  Wann, wenn nicht jetzt damit beginnen? Hunderte Hände, die an einem rumtapschen und sanft schaukelnd durch die Halle schweben lassen. Es gibt viel zu tun, packen wir's an!  

Und auch wenn ich es eigentlich mit Josef Hader halte und ein bisschen weinerlich sage: „Ich will beim Chinesen nicht jeden von meinem Essen kosten lassen und ich  mag auch nicht bei den anderen kosten, weil wenn ich deren Essen gemocht hätte, dann hätte ich es mir bestellt!“

Aber: 2021 wird das Jahr, in dem ich auch in dieser Hinsicht über meinen Schatten springe: Her mit euch liebe Freunde, kostet von meinem großartigen Gan Bien Rindfleisch so viel ihr wollt, ich werde mit heiterer Gelassenheit an euren Garnelen, schlabbrigen Pilzen und saugnapfbewehrten Tentakeln naschen. Obwohl ich den Kram nicht ausstehen kann, wird mir ein Gedanke dennoch ein Lächeln auf die Lippen zaubern: Dass ich endlich wieder die Wahl habe. Prosit 2021!

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