Was bringt es uns, aus Aberglaube die verrücktesten Dinge zu tun?

Einen Hut legt mir niemand aufs Bett. Schirme spannt in meiner Nähe auch keiner IM Haus auf: Bitte kein Unheil heraufbeschwören. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Harti Weirather 1982 Abfahrtsweltmeister wurde, weil ich ihm als Kind zwecks guten Erfolges die Daumen gedrückt habe – allerdings auch keinen Gegenbeleg.
Muss ich unter einer Leiter durchgehen, beschleicht mich bis heute ein mulmiges Gefühl. Und werde ich eines Rauchfangkehrers ansichtig, greife ich dem Glück zuliebe nach einem Knopf. Selbstverständlich klopfe ich auch auf Holz, wenn ich etwas nicht verschreien will. Es läuft doch grad so gut! Ich mag diese kleinen Spleens. Ich finde das witzig. Und ich bin nicht lebensmüde. Wer bin ich, dass ich mich mit dem Universum anlege? Ich weiß zwar, dass diese Rituale nichts helfen. Aber weiß das auch das Universum?
„Menschen suchen nach Mustern“
„Abergläubische Rituale geben uns das Gefühl, Kontrolle über eine Situation auszuüben“, erklärt Hilmar Brohmer, Sozialpsychologe der Uni Graz. Ganz besonders, wenn wir sie nicht beeinflussen können. „Wir erhoffen uns davon eine Kausalität: Wenn ich etwas Bestimmtes tue, tritt das von mir gewünschte Ergebnis ein.“ Zumindest, solange diese Handlungen – sprich, der Eiertanz den wir aufführen, wenn wir Salz verschütten (Pech) und uns dieses danach über die linke Schulter werfen (Glück) – keinen allzu großen Aufwand erfordern.
Auf jeden Fall gilt: „Menschen suchen nach Mustern.“ So entstanden Rituale, die bei unseren Vorfahren durchaus Sinn ergaben und Gefahr abwendeten. Wer heute dreimal auf Holz klopft, um Unheil fernzuhalten, steht einer Erklärung nach in der Tradition von Bergarbeitern: Diese testeten so das Holz der unterirdischen Stollen auf ihre Stabilität – eine Frage des Überlebens.
Unsichere Zeiten machen anfällig
Auch heute suchen wir im Alltag intuitiv nach sinnstiftenden Gründen, warum etwas passiert, wie es passiert. Und sind in unsicheren Zeiten, so Brohmer, noch anfälliger für Aberglauben. Das Wirken übernatürlicher Kräfte erscheint uns dann plausibler. Dass sich der Erfolg der Rituale nicht nachweisen lässt – egal. Es gilt: Hilft’s nicht, schadet’s nicht. In diesem Sinne: klopf, klopf, klopf.
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
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