Ethik vs. Rendite: Das Dilemma der Sin Stocks in Zeiten von Krisen

Vor fast exakt drei Jahren hat der Angriff Russlands auf die Ukraine stattgefunden. Seitdem tobt ein Krieg mit zehntausenden (zivilen) Opfern. So schlimm die Geschehnisse in dem Land auch sind: Es gibt auch Menschen und Unternehmen, die davon finanziell profitieren. Allen voran die Rüstungsbranche.
So stieg die Aktie des deutschen Konzerns Rheinmetall seit Februar 2022 um mehr als 850 Prozent. Der Titel war im Vorjahr der zweitbeste Wert im deutschen Leitindex DAX. Die Dividende wurde von 4,30 auf 5,70 Euro je Aktie angehoben. Beim italienischen Militärflugzeugbauer Leonardo waren es immerhin mehr als 250 Prozent seit Kriegsausbruch. Und wer glaubt, dass ein mögliches Ende des Krieges die Rüstungsindustrie schwächen könnte, der irrt. Denn die Auftragsbücher sind angesichts bestehender und drohender Konflikte voll.
Die Sündenbranchen
Waffen stehen aktuell beispielhaft für eine Reihe von Branchen, die zu den sogenannten Sin Stocks, zu deutsch Sündenaktien, zählen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die in ethisch umstrittenen Branchen tätig sind. Dazu gehören neben der Rüstungsindustrie Produzenten von Tabak (z. B. Philip Morris, British American Tobacco) und Alkohol (Diageo, Anheuser-Busch), Glücksspielunternehmen (Las Vegas Sands, MGM Resorts), die Pornografie- und Erotikbranche (Playboy Group, RCI Hospitality Holdings), Produzenten und Vertreiber von Cannabis (Canopy Growth, Aurora, Green Thumb Industries), Öl- und Gasunternehmen und Atomenergie inklusive Uranförderung und Reaktortechnologie (Électricité de France, Cameco Corporation, Westinghouse, Mitsubishi Heavy Industries).
Die Liste ist nicht in Stein gemeißelt, denn zum Beispiel könnten auch Reisen (Fluglinien, Airports, Reedereien) oder auch Hersteller von Autos mit Verbrennerantrieb früher oder später allgemein als Sündenaktien gelten. Letztendlich aber ist es auch eine persönliche Sichtweise von Anlegern, wo sie ihre rote Sünden-Linie für ein Investment ziehen.
Gemeinsam ist den klassischen Sündenaktien jedenfalls, dass sie oft widerstandsfähiger gegenüber wirtschaftlichen Abschwüngen sind, da viele dieser Produkte und Dienstleistungen eine stabilere Nachfrage auch in Krisenzeiten haben.
Höhere Renditen
Darüber hinaus bieten sie teilweise höhere Renditen als jene Investments, die als moralisch korrekt vermarktet werden, die also die sogenannten ESG-Kriterien (deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) erfüllen. Beispielsweise verlor seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine der Indexfonds iShares Global Clean Energy ETF rund ein Drittel seines Wertes. Der iShares U.S. Aerospace & Defense ETF hingegen gewann im selben Zeitraum 55 Prozent.
In den vergangenen zehn Jahren schnitt der MSCI World Index, der die weltweit größten 1.500 Unternehmen enthält, allerdings nur um eine Spur schlechter ab als der MSCI World ex Tobacco ex Controversial Weapons (also ohne Tabakproduzenten und Hersteller von Streumunition oder Landminen). Neben der Rüstungsindustrie gab es in den vergangenen Jahren vor allem höhere Zugewinne bei Glücksspieltiteln (infolge von liberalisierten Märkten) und Alkoholaktien. Tabakwerte erfreuen mit hohen Dividenden, während Cannabis die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte.
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