Wohnen in Wien ist teuer: Aber was sind die Gründe dafür?

Das Thema betrifft in Wien fast alle. Zumindest all jene, die zu den rund 80 Prozent gehören, die in Miete wohnen. Schon in den vergangenen Jahren mussten sich die Mieterinnen und Mieter den erhöhten Wohnkosten stellen. Und es scheint nicht besser zu werden. Es stellt sich also die Frage: Warum sind die Preise so hoch?
Leben im Gemeindebau
Kein Studentenheim, keine WG, sondern endlich eine eigene Wohnung in Wien. Als Lisa K. (Name von der Redaktion geändert) im September 2021 in ihre Wohnung, die von einer Immobiliengesellschaft vermietet wurde, zog, dachte sie nicht daran, rund ein Jahr dort wieder auszuziehen. Nach sechs Umzügen wollte sich die 25-Jährige ein Zuhause schaffen, in dem sie die nächsten Jahre bleiben konnte.
Hauptmietzins wurde angehoben
„Ich hab’ lange gesucht und dann diese Wohnung im 5. Bezirk gefunden. Der Mietpreis ist zwar eigentlich über meiner Schmerzgrenze gelegen, aber die Wohnung hat mir so gut gefallen“, sagt Lisa. Die Wohnung hatte eine Nutzfläche von 46 Quadratmetern, der Mietpreis betrug zum Zeitpunkt des Einzugs 770 Euro – 106 Euro davon entfielen auf Betriebskosten. Ein Jahr später erhielt Lisa K. ein E-Mail der Immobiliengesellschaft mit den Worten: „Sehr geehrte Damen und Herren, anbei finden Sie Ihre neue Rechnung. Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“ Zusätzlich zu einer Nachverrechnung von 282 Euro wegen der Anpassung des Hauptmietzinses wurde der 25-Jährigen auch gleich der neue Mietpreis mitgeteilt: 853 Euro.
„Als dann auch noch die Energiekosten gestiegen sind, hab’ ich gewusst, ich muss jetzt ausziehen. Ich will nicht, dass die Hälfte meines Gehalts in meine Wohnung fließt“, erzählt Lisa. Zum erstmöglichen Zeitpunkt schickte die 25-Jährige ihre Kündigung an die Immobiliengesellschaft. Sie versuchte ihr Glück anschließend bei Wiener Wohnen. „Mir ist mitgeteilt worden, dass ich aber keinen Anspruch auf ein Wiener Wohnticket hätte.“ Ein passendes Preis-Leistungsverhältnis am Wohnungsmarkt in Wien zu finden, sei für sie eine große Herausforderung gewesen.
Der Grund, der den meisten zuerst in den Sinn kommt: Die Inflation. Der im Mietvertrag festgeschriebene Hauptmietzins ist in der Regel wertgesichert. Das stellt sicher, dass der Mietzins vom Vermieter in regelmäßigen Abständen erhöht werden kann. „Die Indexierung muss aber im Mietvertrag festgeschrieben und ordnungsgemäß formuliert sein“, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung (MVÖ).
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Öffentlich gefördert
Etwas anders gestaltet sich die Situation bei öffentlich geförderten Wohnungen. Mit dem Mietpreisdeckel hat der Bund die Mieterhöhungen begrenzt. Sprich: Die inflationsbedingte Anpassung aller geregelten Mieten wird bis 2026 ausgesetzt oder beträgt maximal fünf Prozent. Die Stadt Wien hat dieser Verordnung vorausgegriffen und bereits im November verkündet, dass die indexierten Mietpreisanpassungen in den Gemeindebauten zwei Jahre lang ausgesetzt werden. Die Mieten werden sozusagen bis Ende 2025 auf dem derzeitigen Niveau eingefroren.

Sie beklagt sich nicht. Das ist wirklich außergewöhnlich in einem Gemeindebau in Großjedlersdorf, in dem die SPÖ ihre absolute Mehrheit längst verloren hat. Sie ist Lehrerin im Ruhestand, hat es selbst nicht so dick, spricht aber von schlechtem Gewissen, dass die Miete für ihre 56--Wohnung mit aktuell rund 300 Euro immer noch moderat ist: „Wir dürfen uns nicht beschweren. Es gibt viele junge Menschen in Wien, so wie meine Tochter in einer Genossenschaftswohnung, die sehr viel mehr für das Wohnen bezahlen.“
Regine Nemes ist die „gute Fee von der 5er-Stiege“. Als beliebte Pädagogin hat sie schon manchem Nachbarskind das kleine und das große Einmaleins der Schule und des Lebens beigebracht.
Corona, Krieg und Teuerung
Corona, die Kriege in der Welt, vor allem die Teuerungen für Energie, für Wohnen, Essen und Trinken sind nicht spurlos an ihrer Nachbarschaft vorübergegangen: „Es gibt bei uns einige, die genau auf ihr Geld schauen müssen.“
Das Damoklesschwert schwebt auch permanent über ihren Gemeindebau. Die Maxime lautet da und dort: Lieber Kartoffel mit Butter zum Monatsende als den Zins zu Beginn des neuen Monats nicht bezahlen können.
"Gemeindebau-Bonus"
Die Miete von Regine Nemes, bestehend aus Hauptmietzins und Betriebskosten, wurde im Sommer 2023 um ein Viertel erhöht, was zusätzlich Nervosität ausgelöst hat. Durch den „Gemeindebau-Bonus“ gab es zuletzt aber kurzfristig eine Entlastung.
Aufgrund des bewusst reduzierten Lebensstils (Rad statt Auto, Schrebergarten statt Flugreisen) würden sie die Teuerungen nicht so hart treffen. Frau Nemes wohnt seit 33 Jahren hier. Weist aber darauf hin: „Wer immer meine Wohnung mal übernehmen wird, wird deutlich mehr Miete zahlen.“
Bei diesen Niedrigmieten sei also nicht die Wertanpassung der Grund für den Preisanstieg, sagt Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Wien. Sondern: „Der Betriebskostenanteil an den Wohnkosten ist bei diesen niedrigen Mieten viel höher.“
Noch bevor Julia P. (Name von der Redaktion geändert) Ende März in ihre Genossenschaftswohnung im Q-Tower, die von der gemeinnützigen Bauvereinigung „Österreichisches Siedlungswerk“ (ÖSW) vermietet wird, einzog, wurde ihre Miete erhöht. Als sie sich für ihre 70 Quadratmeter große 3-Zimmer-Wohnung mit einem Genossenschaftsanteil von 35.000 Euro anmeldete, betrug die Miete noch 770 Euro. Bei der Vertragsunterzeichnung lag der Betrag bereits bei 850 Euro. „Das war zu dem Zeitpunkt noch in Ordnung. Die Erhöhung danach war für mich aber ein Schock“, erzählt Julia.
26 Prozent höhere Wohnkosten
Anfang des Jahres hieß es von der ÖSW in einem Brief an die Mieterinnen und Mieter, dass es zu einer Mieterhöhung käme: „Grund hierfür ist die massive Zinserhöhung des Darlehens“, schrieb die Hausverwaltung als Begründung. Für Julia bedeutet das, dass sie seit Jänner 1.035 Euro Miete im Monat zahlt – das sind um 185 Euro mehr als bei der ersten Preissteigerung. Sprich: In fast einem Jahr ist die Miete um rund 26 Prozent angestiegen.
Für Julia, alleinerziehende Mutter eines 15-jährigen Sohnes, ist das kaum mehr leistbar. „Es ist wirklich unglaublich. Wenn ich neben der Miete nicht so viele Ausgaben habe, dann kann ich mir die Wohnung noch leisten“, betont die Alleinerziehende. Viel mehr sei finanziell aber wahrscheinlich nicht möglich.
Um finanzielle Unterstützung zu erhalten, meldete sie sich bereits für die Wohnbeihilfe an, auf die sie nun vergeblich wartet. „Ich will nicht nur arbeiten müssen, um mir meine Miete überhaupt leisten zu können, sondern auch damit ich andere Lebensbereiche finanzieren kann, ohne große Einsparungen machen zu müssen“, sagt Julia.

Und die Betriebskosten steigen seit 2022 jährlich im Rahmen der Inflation um etwa 10 Prozent. „Also ja, aus Sicht des Konsumenten erhöhen sich die Wohnkosten. Aber ich weigere mich gegen den Schluss, dass die Mieten so stark steigen“, sagt Pisecky.
Bauleistung österreichweit halbiert
Zur Inflation und den Betriebskosten komme dazu, dass sich die Bauleistung österreichweit nahezu halbiert habe. „Wir sehen noch viele Baustellen, aber es gibt nur noch sehr wenig Baubeginne“, sagt Pisecky. Laut den Zahlen von der Bauträgerdatenbank „Exploreal“ sollen in Wien im Jahr 2024 noch 14.300 Neubaueinheiten realisiert werden. Für 2025 seien 11.420 Einheiten angekündigt. Das ist ein Rückgang von 30 Prozent gegenüber 2023, wo 16.700 Einheiten fertiggestellt wurden.
Damit kommt weniger Wohnraum auf den Markt, obwohl die Bevölkerung in Wien steigt. Auch Eigentum steht damit nur in vergleichsweise geringem Ausmaß zur Verfügung, sagt Martina Hirsch, Geschäftsführerin von sReal Immobilien. „Dadurch erhöht sich der Druck auf den Mietmarkt und wenn die Nachfrage steigt, steigt auch der Preis.“
Alternative Konzepte
Die Lösung des Problems sei aber nicht nur der Neubau, sagt Hanel-Torsch von der MVÖ. Schließlich ist das Bauland – besonders in der Stadt – sehr rar. Alternative Konzepte werden also notwendig. Statt flach müsse vermehrt in die Höhe gebaut werden. Vor allem aber sei die Wohnraummobilisierung ein zentraler Ansatz: „Es gibt viele leer stehende Wohnungen. Wenn diese zu ihrem ursprünglichen Zweck zurückgeführt werden, nämlich dass Menschen darin wohnen können, dann müsste man unter Umständen gar nicht so viel bauen“, sagt Hanel-Torsch. Die dazu notwendige Einführung der Leerstandsabgabe falle aber in die Kompetenz des Bundes. Weiters ist es laut Hanel-Torsch wichtig, dass unbefristete Mietverträge zur Regel werden. Denn Mieter in befristeten Wohnungen würden sich viel seltener trauen, auf Missstände – etwa bei den Kosten– hinzuweisen. Aus Angst, dass der Vertrag nicht verlängert wird.

Die Studentin Marija N. (Name von der Redaktion geändert) ist 26 Jahre alt und wohnt bereits seit vier Jahren im Studentenwohnheim „Base19“. Das Wohnheim ist nur eines von insgesamt vier Standorten der „base – home for students GmbH“ und nur ein Bruchteil der über 120 Studentenwohnheime in der Stadt.
Eine Freundin hatte Marija damals das Wohnheim empfohlen, und auch der Preis entsprach zu der Zeit ihren Vorstellungen: „Der Mietpreis war im Vergleich zu Privatwohnungen deutlich günstiger, weshalb ich mich schlussendlich auch für einen Einzug entschieden habe“, erzählt die 26-jährige Studentin. Bei ihrem Einzug lag die Miete für ihr elf Quadratmeter großes Zimmer mit eigenem Bad noch bei 320 Euro. Im Preis inbegriffen sind die Nutzung der Gemeinschaftsküche, die sich Marija mit 20 weiteren Studierenden in ihrer Etage teilt, sowie weitere Freizeiträume, wie etwa dem Party- und Musikraum, die dort jedem Studierenden zur Verfügung stehen.
Mietwohnung zu teuer
Doch die Miete, die sie bei ihrem Einzug noch zu bezahlen hatte, hat sich in den letzten vier Jahren um knapp hundert Euro erhöht. Dementsprechend zahlt Marija heute 415 Euro Miete. Das entspricht einer Erhöhung von fast 23 Prozent. Für Marija ist das unverständlich: „Ich denke, der Preis ist jetzt zu teuer und überhöht. Es wurde auch nicht wirklich etwas in die Zimmer gesteckt“, betont die Studentin.
Neben ihrem Studium arbeitet Marija Teilzeit im Personalmanagement und finanziert sich so ihr Zimmer. Auch wenn sie die Miete dafür überteuert findet, ist sie zufrieden mit ihrem Wohnplatz. Eine eigene Mietwohnung käme für sie derzeit aus finanziellen Gründen sowieso nicht infrage.
20.369 Beratungen macht die Mietervereinigung jährlich. Das hat sich in den vergangenen Jahren auf hohem Niveau stabilisiert. Melden könne man sich bei der Mietervereinigung jederzeit. „Gerne auch vor Vertragsabschluss“, sagt Hanel-Torsch.
Die durchschnittliche Höhe der Mieten exklusive Betriebskosten lag laut Statistik Austria im 3. Quartal 2023 bei monatlich 7,1 Euro pro Quadratmeter und stieg damit im Vergleich zum 3. Quartal des Vorjahres um 9,2 %. "Damals hatte die steigende Inflation zum ersten Mal für einen größeren Anstieg der Mieten gesorgt. Seit dem Plus von 6,6 % im 3. Quartal 2022 haben wir von Quartal zu Quartal immer höhere Mietanstiege gesehen, die im 2. Quartal 2023 in einen Zuwachs von 11,1 % gipfelten", sagt Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. Im 3. Quartal 2023 war die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahresquartal nun erstmals wieder niedriger, blieb jedoch weiterhin auf einem höheren Niveau als vor dem starken Inflationsanstieg.
9,5 Euro pro Quadratmeter
Die durchschnittliche Miete inkl. Betriebskosten betrug im 3. Quartal 2023 631,0 Euro pro Wohnung bzw. 9,5 Euro pro Quadratmeter. Dabei lagen die durchschnittlichen Betriebskosten bei 160,6 Euro pro Wohnung bzw. 2,5 Euro pro Quadratmeter, und die Miete ohne Betriebskosten (Nettomiete) betrug im Schnitt 473,4 Euro pro Hauptmietwohnung bzw. 7,1 Euro pro Quadratmeter. Die Nettomiete pro Quadratmeter stieg um 9,2 % zum Vorjahresquartal. Die Mietkosten beziehen sich hochgerechnet auf 1,78 Millionen Hauptmietwohnungen in Österreich.
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