Lesen oder Spazieren: Ein Rundgang am Wiener Ring

Wien 1, Ringstraße
Welche Geschichten hinter den Prachtbauten im Herzen Wiens stecken, erfahren Leserinnen im Buch von Barbara Dmytrasz. Damit kann die Vergangenheit der Stadt auch erlebt werden.

Die Wiener Ringstraße, oder kurzum „Ring“, ist wohl eine der bekanntesten Straßen Österreichs und sogar Europas. Er sollte einst in der habsburgerlichen Kaiserzeit der Champs Élysées in Paris Konkurrenz machen. Über 5,3 km erstreckt sich die berühmteste Straße Wiens heute. Doch wussten Sie, dass der „Ring“ eigentlich gar keiner ist? Die Prachtstraße wurde nämlich in Hufeisenform konstruiert.

Bei einem Spaziergang durch die Innenstadt bemerkt man hellenistische Elemente, wie die großen weißen Säulen des Parlaments, oder den gotischen Stil des Wiener Rathauses daneben. Beim Bau der Ringstraße flossen viele Architekturepochen, die vor allem die europäische Geschichte der vergangenen 2.000 Jahre prägten, mit ein. Und doch ist laut der Wiener Historikerin Barabara Dmytrasz kein Bauwerk auf der Ringstraße einer konkreten historischen Stilrichtung eindeutig zuzuordnen.

Auf Spurensuche

In ihrem Buch die „Ringstraße“ betrachtet sie den gleichnamigen Prachtboulevard als Gesamtkunstwerk. Historisch interessierte Leserinnen und Leser werden dazu eingeladen, das Zusammenspiel aus Kunst und Geschichte neu zu beäugen. Mittels vorgeschlagenen thematischen Rundgängen kann man den „Ring“ nicht nur lesen, sondern live erleben. Dabei können etwa die politischen Motive hinter den Bauten oder Vorbilder von Plätzen, Palästen oder Denkmälern (neu) entdeckt werden. 

So stehen bekannterweise Rathaus und Parlament quasi in direkter Nachbarschaft mit dem geplanten, aber nie vollständig umgesetzten Kaiserforum. Es ist sozusagen eine Gegenüberstellung von imperialer Selbstdarstellung des Kaisertums und der Errungenschaften des liberalen Bürgertums. Für Letztere war das Rathaus aus vielerlei Gründen eine Errungenschaft.

Ausgetrickst

Beim Bau des Rathausturms wurde sich geschickt einer kaiserlichen Anordnung widersetzt: Laut Anweisung von Kaiser Franz Josef durfte der große Turm des Rathauses die 99 Meter hohen Türme der Votivkirche nicht überragen. Mit Raffinesse gelang es dem Architekten Friedrich Schmidt, sich der kaiserlichen Prämisse zu fügen und gleichzeitig die Kirche zu überragen: Der sogenannte Rathausmann, eine Statue von Kaiser Maximilian I., wurde schlichtweg auf der Turmspitze des Rathauses platziert. Somit misst das Rathaus 104.3 Meter in Höhe.

Wer in Wiens historische Stadtplanung und -gestaltung eintauchen – und diese vielleicht bei einem Rundgang mit eigenen Augen erleben – möchte, ist mit der überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe der „Ringstraße“ bestens beraten.

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