Der Bürgermeister darf die Notkompetenz nur nutzen, wenn Gefahr in Verzug ist – und Stadtsenat oder Gemeinderat nicht rechtzeitig zusammentreten können. Wäre eine Sitzung des Stadtsenats zeitlich im Sommer wirklich nicht möglich gewesen?
Alles wäre möglich gewesen. Aber darum geht es nicht. Der Bürgermeister darf die Notkompetenz ziehen – dafür braucht es nicht unser Einverständnis, sondern nur die Information darüber. Es ist allein in seiner Verordnungsmacht, das zu tun. Zuletzt hat er sie übrigens für den Schnitzelgutschein während Corona genutzt – und die Grünen haben als damaliger Koalitionspartner still zugesehen.
Der Bürgermeister müsste „unverzüglich“ informieren, wenn er die Notkompetenz nutzt. Passiert ist das bei der Wien Energie erst viel später.
Das wird ein großes Thema bei der Untersuchungskommission sein: Wie ist die „unverzügliche Information“, die rechtlich festgeschrieben ist, auszulegen? Mehr als zwei Monate lang zu warten, ist im allgemeinen Empfinden wohl nicht „unverzüglich“. So ehrlich muss man sein. Diesen Begriff zu konkretisieren, sollte ein Ergebnis der U-Kommission sein.
Die U-Kommission ist für Sie als kleiner Koalitionspartner nicht angenehm. Wie kritisch gegenüber der SPÖ legen Sie es an?
Unser Vorteil ist, dass wir – anders als die Opposition – kein parteipolitisches Interesse haben. Die U-Kommission ist ein Match ÖVP gegen SPÖ. Uns geht es darum, für volle Aufklärung zu sorgen und ohne Scheuklappen nachzufragen. Wir müssen das Vertrauen in die Stadt und die Wien Energie wiederherstellen.
Die Wiener SPÖ rühmt sich stets damit, die Versorgung aus öffentlicher Hand besser sicherstellen zu können als Private. Als Liberale müssten Sie nun widersprechen.
Es wird Sie verwundern, aber das tue ich nicht. Viele kleine private Stromversorger mussten zusperren, weil sie es nicht geschafft haben. Das städtische Programm hat funktioniert.
Der Finanzminister sprach von möglicher Spekulation. Legen Sie für die Wien Energie die Hand ins Feuer?
Nein. Dafür kenne ich die Wien Energie zu wenig. Aber die Tatsache, dass sie bereits große Summen an städtischen Hilfen oder Zusagen des Bundes schon wieder zurückgezahlt oder gar nicht abgerufen hat, schafft Vertrauen.
Die U-Kommission wurde bereits reformiert, auch beim Stadtrechnungshof und beim Interpellationsrecht wollen Sie nachbessern. Ist nach den Reformen sichergestellt, dass der Gemeinderat den Einblick in städtische Unternehmen hat, den er braucht?
Was er braucht, ist wohl Ansichtssache. Ich bin der Meinung, dass es keinen Sinn ergibt, wenn 100 Gemeinderäte Einblick in die Geschäftsgebarung der städtischen Unternehmen haben und Betriebsgeheimnisse erfahren. Aber wir wollen das Interpellationsrecht ändern, um mehr Einblick in Besetzung und Rolle der Aufsichtsräte zu erhalten. Wir haben einen Compliance Officer im Landtag bekommen und werden den Stadtwerke-Unterausschuss stärken. Der Stadtrechnungshof soll ebenfalls gestärkt werden. Der Stadtrechnungshof soll ebenfalls gestärkt werden.
Zum zweiten großen Thema, das die Neos verantworten: Bildung. Da haben Sie Baustellen von der SPÖ geerbt.
Es sind gesellschaftliche Baustellen. Aber ja, wir als Neos haben sie nicht verschuldet. Jetzt geht es darum, den Beruf des Pädagogen attraktiver zu gestalten und Schulen mit besonderen Herausforderungen besser auszustatten – mit psychologisch geschultem Personal, Schulentwicklungsexperten und mit Geld für konkrete Projekte. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen den Eltern die Sicherheit vermitteln, dass jede öffentliche Schule in Wien auch die beste Schule ist.
Dieses Versprechen können Sie derzeit nicht einlösen.
Nein, noch nicht. Aber wir arbeiten daran. Die Eltern sollen sich keine Sorgen darüber machen müssen, dass es an Standorten schlecht läuft und man sagen muss: Da gebe ich mein Kind nicht hin.
Immer mehr Politiker äußern öffentlich die Ansicht, dass Österreich nicht noch mehr Zuwanderung verträgt. Teilen Sie diese Meinung?
Klar ist, dass wir belastet sind. Nicht zuletzt in den Schulen und Kindergärten, wo wir unter großer Kraftanstrengung mehr als 3.000 ukrainische Kinder aufgenommen haben. Wir werden das weiter tun, weil es unsere Pflicht ist und weil es unseren Werten entspricht. Aber ja, es wird eng. Und wenn ich sehe, dass Wien seine Asylquote mit 180 Prozent übererfüllt und andere Bundesländer komplett auslassen, dann muss ich die Gerechtigkeits- und Solidaritätsfrage stellen.
Sie sind bei vielen Themen, etwa beim Lobautunnel, anderer Meinung als die SPÖ. Was im Koalitionspapier tut Ihnen weh?
Nichts. Aber klar: Würden wir ein Programm ganz alleine schreiben, würde es anders ausschauen.
Was stünde im Programm einer Neos-Alleinregierung?
Viel ärgere Sachen (lacht). Die Parteienförderung würde halbiert und das Inseratenvolumen gekürzt. Und es würde schon eine Seilbahn über Wien fahren.
Rot-Pink in Wien gilt für viele als Testballon für den Bund. Wenn Beate Meinl-Reisinger Sie anruft und fragt – würden Sie eine Koalition mit der SPÖ empfehlen?
Wir arbeiten in Wien auf Augenhöhe und sehr vertrauensvoll. Ich möchte nicht mit den Grünen tauschen, die jede Woche darauf warten, welcher Skandal bei der ÖVP wieder aufpoppt.
Ist die Maskenpflicht in der U-Bahn noch richtig?
Jetzt haben Sie eine Meinungsverschiedenheit gefunden! Aus unserer Sicht ist sie nicht mehr nötig. Auch Experten sagen, dass das nicht mehr zielführend ist. Aber die Maskenpflicht ist eine Verordnung des Bürgermeisters, er braucht unsere Zustimmung nicht.
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