Wiener Missbrauchsfall: Keine Ermittlungen gegen mögliche Täter

Wiener Missbrauchsfall: Keine Ermittlungen gegen mögliche Täter
Für Staatsanwaltschaft Wien ist weiter kein konkreter Anfangsverdacht gegeben: „Vermutungen allein genügen nicht“.

Im Missbrauchsfall um einen Wiener Sportlehrer, der bis zu seinem Selbstmord im Mai 2019 an einer Mittelschule mehr als 40 unmündige Schüler missbraucht haben dürfte, gibt es weiter keine Ermittlungen gegen zwei mögliche Mittäter. „Alle bei uns eingebrachten Sachverhaltsdarstellungen wurden geprüft. Es wurden keine Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet“, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, am Donnerstag auf APA-Anfrage mit.

Die Opfer-Anwältin Herta Bauer, die mehrere von Übergriffen des Sportlehrers Betroffene vertritt, hatte zuletzt Ende November eine weitere Anzeige eingebracht, nachdem bei vorangegangenen ein konkreter Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen zweier namentlich genannter Verdächtiger seitens der Staatsanwaltschaft verneint worden war. Die Bildungsdirektion Wien, die zur Klärung der Vorgänge an der betroffenen Schule und in einem assoziierten Sportverein eine Untersuchungskommission eingesetzt hatte, brachte wiederum insgesamt sieben Sachverhaltsdarstellungen ein.

Diese richteten sich unter anderem auch gegen einen früheren Schüler des Sportlehrers sowie einen mit diesem befreundeten Ex-Lehrer und Basketball-Trainer, die von Bauer als mögliche Beitragstäter bzw. Mittäter betrachtet werden. Alle drei waren in einem Sportverein tätig, wo der Ex-Lehrer in seiner Funktion als Trainer ein übergriffiges Verhalten gegenüber minderjährigen Burschen an den Tag gelegt haben soll. Auf Betreiben des Wiener Basketballverbands (WBV) musste er 2019 nach Beschwerden den Verein verlassen, seither ist der Mann von der Bildfläche verschwunden.

Keine Basis für Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft betont, sie habe sämtliche Sachverhaltsdarstellungen „eingehend geprüft“, wie Behördensprecherin Bussek erläuterte. Es gebe derzeit schlicht keine Basis für Ermittlungsmaßnahmen, weder in Bezug auf den früheren Schüler des Sportlehrers, der diesen regelmäßig zu Schul- und außerschulischen Veranstaltungen begleitet hatte, noch hinsichtlich des Basketballtrainers. „Man muss dafür einen konkreten Anfangsverdacht habe. Es bedarf konkreter Hinweise auf mögliche strafbare Handlungen. Vermutungen allein genügen für strafrechtliche Ermittlungen nicht“, sagte Bussek im Gespräch mit der APA.

Für Opfer-Anwältin Bauer ist das nicht nachvollziehbar. Gegenüber der APA kündigte sie am Donnerstag „weitere Schritte“ an. Bauer ist überzeugt, dass bei weitem nicht sämtliche von Übergriffen des Sportlehrers bzw. möglicher Beteiligter Betroffene bekannt sind. Vor dessen Selbstmord seien bei einer Hausdurchsuchung im Frühjahr 2019 drei Terabyte an Daten mit Missbrauchsdarstellungen von Unmündigen und Minderjährigen sichergestellt worden. Dass dieses Material bereits im darauf folgenden Herbst gesichtet und final ausgewertet war, wie die Staatsanwaltschaft am vergangenen Wochenende bekräftigt hatte, hält Bauer für denkunmöglich: „Das kann nur ein Bruchteil sein. Denn das beschlagnahmte Material entspricht 750.000 Bildern oder Videos im Umfang von 1.500 Stunden.“

Opfer-Anwältin fordert Untersuchung

Ihrer Ansicht nach spricht für ihre These, dass in den vergangenen Wochen weitere Identifizierungen von möglichen Opfern stattgefunden hätten, wie zuletzt „Der Standard“ berichtet hatte. Datenträger befänden sich im Landeskriminalamt - „für den Fall, dass sich Personen melden, die in Erfahrung bringen wollen, ob von ihnen Fotos zu finden sind“, zitierte die Tageszeitung in diesem Zusammenhang die Landespolizeidirektion.

„Man muss das Datenmaterial auch dahingehend untersuchen, ob es Mittäter gibt“, verlangte Opfer-Anwältin Bauer im Gespräch mit der APA. Der Lehrer könnte seine Schüler bei Missbrauchshandlungen gefilmt haben, nachdem er diese betäubt hatte, und entsprechendes Material im Darknet angeboten haben. „Es ist zu prüfen, ob er Spuren hinterlassen hat, ob er das Material verkauft oder geteilt hat“, meinte Bauer. Sie berichtete in diesem Zusammenhang davon, der Pädagoge habe auf Youtube Filmsequenzen veröffentlicht, auf denen schlafende Buben - vermutlich Schüler des Mannes - zu sehen waren. Diese Bilder hätten womöglich „als eine Art Appetizer für Interessenten an Missbrauchsdarstellungen“ gedient, vermutet Bauer. Der Lehrer könnte Interessenten drastischere Aufnahmen im Darknet verkauft haben.

Die Staatsanwaltschaft weist die Unterstellung zurück, man habe nicht die gesamten beim Lehrer sichergestellten Daten ausgewertet, die auf drei Notebooks, acht Festplatten, einem USB-Stick, einer Speicherkarte, fünf Digitalkameras, drei Mobiltelefonen und einem Tablet abgespeichert waren. Man habe „selbstverständlich alles umfassend geprüft“, hielt dazu Behördensprecherin Bussek fest.

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