Bürokratie-Posse: Stadt Wien bremst Förderungen für Brennpunktschulen aus

Die Vision hinter dem Forschungsprojekt klingt vielversprechend: Im März des Vorjahres lobte die türkis-grüne Bundesregierung den Betrag von 15 Millionen Euro aus, mit dem 100 österreichische Schulen mit besonderen Herausforderungen – sogenannte Brennpunktschulen – individuelle Konzepte umsetzen können.
Die Uni Wien begleitet das Projekt – und will so wissenschaftliche Erkenntnisse darüber erzielen, wie die Schulen „Ressourcen konkret einsetzen und nutzen – und was dies für die Schulqualität bedeutet“, wie es in einem Info-Blatt des Ministeriums heißt. Erklärtes Ziel: Die 100 Schulen sollten in größtmöglicher Autonomie über die Mittel verfügen.
Ein eingängiger Name für das Förderprojekt war somit rasch gefunden: „100 Schulen – 1000 Chancen“. Das positive Medienecho für den damaligen Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ließ nicht lange auf sich warten. Angesichts der Corona-Krise galt es vor allem jenen Kindern, die den Anschluss zu verlieren drohten, unbürokratisch zu helfen.
Da hat man die Rechnung jedoch ohne die Stadt Wien gemacht.
Für Direktoren der teilnehmenden Wiener Schulen hat sich das Projekt mittlerweile zum bürokratischen Albtraum entwickelt. Die Vorwürfe der Schulleiter: Bis heute sei bei ihren eingereichten Projekten nichts weitergegangen – und das, obwohl sie bereits bewilligt wurden und das Geld seit Monaten zur Verfügung stehe.
Viele Vorwürfe
An wem es nach einhelliger Meinung scheitert? Am zuständigen Schulerhalter, der MA 56. Die Magistratsabteilung liegt im politischen Einflussbereich von Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos).
Die Fälle, die die Schulleiter schildern, klingen haarsträubend. Das Problem: Den eigenen Namen – und damit jenen der Schule – will keiner, mit dem der KURIER gesprochen hat, in der Zeitung lesen. Auch eine allzu detaillierte Schilderung der Abläufe, die dem KURIER in schriftlicher Form vorliegen, könnte Rückschlüsse zulassen – negative Konsequenzen für den Schulstandort inklusive: „Wer in Wien aufmuckt, steht auf der Abschussliste, Kollegen werden von den Behörden massiv eingeschüchtert.“
Frust
Die Vorwürfe, die die Direktoren erheben, gleichen einander in zentralen Punkten: Man habe „mit den Lehrerteams unter Zeitdruck gute Konzepte erarbeitet, um den Kindern wichtige Dinge zu ermöglichen, die ihnen fehlen“, erzählt ein Betroffener. Das Bundesministerium habe die Konzepte auch bewilligt. Erst als man mit der MA 56 in Kontakt trat, wurde es kompliziert. „Mittlerweile sind wir alle – unsere Lehrer, aber auch die Eltern – frustriert.“
Die Bandbreite der Projekte war groß: Mancherorts ging es um geringfügige bauliche Maßnahmen, andere wünschten sich Unterstützungspersonal, Möbel oder Workshops etwa zur Gewaltprävention. Andere wollten die Digitalisierung vorantreiben und Smartboards oder Tablets bestellen.
Vor allem Letzteres soll bei der MA 56 nicht auf Gegenliebe gestoßen sein: Dass mancher Schulleiter bereits Firmen an der Hand hatte, die die Endgeräte zur Verfügung stellen sowie die Einschulung und Wartung übernehmen, ließ die Alarmglocken schrillen.
Geräte selbst zu beschaffen und „Fremdinventar ins Haus zu bringen“, das sei Direktoren nämlich grundsätzlich verboten, beklagen die Betroffenen. Auch einen WLAN-Router dürfe man nicht installieren. Er könne „ja zu brennen beginnen“, heißt es. „Was wir benötigen, dürfen wir selbst nicht besorgen. Aber die Stadt stellt es uns auch nicht zur Verfügung.“
Problemfall Smartboard
Smartboards etwa stellen die moderne Verwaltung vor ein besonderes Problem, wie der KURIER aus dem Rathaus erfahren hat: Die MA 56 darf diese gar nicht kaufen. Das macht die für die Digitalisierung zuständige MA 01, von der die MA 56 die Geräte dann mieten kann. Die MA 01 wolle aber das Geld aus dem Projekt nicht vom Bund annehmen. Fazit: Es gibt keine Smartboards. Oder, wie man es in der MA 56 formuliert: „So einfach ist das nicht.“
Die Posse ist an dieser Stelle noch nicht zu Ende: Selbst wenn die Smartboards angeschafft worden wären – niemand hätte sie montiert. Dafür ist der Bezirk zuständig. Und dieser habe die Montage nicht budgetiert, hieß es.
Der Wiener Grünen-Abgeordnete Felix Stadler fordert vom zuständigen Bildungsstadtrat noch vor dem Herbst Lösungen. Sonst soll sich der Gemeinderat mit der Causa beschäftigen. „All das zeigt, wie absurd die Schulverwaltung aufgebaut ist. Die Schulen wollen arbeiten, stoßen aber an interne Verwaltungshürden. Es braucht endlich Strukturen, die echte Autonomie ermöglichen“, so Stadler.
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