"Wissentlich Gesundheitsschädigung ausgesetzt": Brisante eMails in Öffi-Klima-Affäre

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Der führende Klimatechniker schlug auch bei Wiener-Linien-Chefin Alexandra Reinagl Alarm wegen Gefährdung des Personals – doch Maßnahmen blieben aus. Kritik kommt jetzt auch von der Wirtschaftskammer.

Am Wochenende dürfte so manches Mobiltelefon bei den Wiener Linien heißgelaufen sein – denn der Bericht des KURIER über verschmutze und verschimmelte Klimaanlagen in den ULF-Straßenbahnen schlug hohe Wellen. Einerseits in der Belegschaft, wo die Recherchen für Empörung, aber auch Dank sorgten (dazu später), andererseits bei den Führungskräften, die das Problem mit den Fahrerkabinen-Klimageräten jahrelang kleingeredet haben sollen.

Interne Mails, die dem KURIER zugespielt wurden, werfen jetzt sogar ein schlechtes Licht auf die Wiener-Linien-Chefetage.

„Wissentlich ausgesetzt“

Denn in einem Mail vom 7. April 2025 mit dem Betreff „Akute Gesundheitsgefährdung des Fahrpersonals“ werden hochbrisante Vorwürfe des bei den Wiener Linien beschäftigten, führenden Klimatechnik-Meisters Martin P. formuliert. In CC gesetzt ist keine Geringere als Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Verkehrsbetriebe.

P. hatte zuvor ein Pilotprojekt entwickelt, um die am Dach montierten und schwer zugänglichen Geräte gründlich reinigen und desinfizieren zu können – indem sie ausgebaut werden. Nachteil: Bei gröberer Verschmutzung braucht man einen Arbeitstag pro Zug.

Das Programm, das eine nachhaltige Lösung des seit Jahren bestehenden Problems hätte bringen sollen, wurde abgedreht – was P. in dem Mail beklagt. Darin appelliert er wohl nicht zufällig an Reinagl: „Achtung: Aufgrund dieser Entscheidung (...) ist davon auszugehen, dass sich die Ulf-Fahrerplatz-Klimaanlagen (...) weiterhin in einem sehr schlechten bzw. gesundheitlich schädlichen Zustand im Fahrbetrieb befinden.“ Nachsatz: „Somit wird unser gesamtes Fahrpersonal (...) wissentlich weiterhin einer Gesundheitsschädigung ausgesetzt.“ Folgen hatte der Appell keine, außer – wie berichtet – ein „oberflächliches Schnellreinigungsprogramm“. Und die Wiener Linien, die nur Einzelfälle zugaben, stellten am Freitag eine gesundheitliche Gefährdung in Abrede. Doch warum wurde die Geschäftsführerin im April nach der dramatischen Information nicht umgehend aktiv?

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Verschimmelte Dämmmatte im Klimagerät.

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Dicke Schmutzschicht auf Verdampfer-Lamellen.

Jetzt doch Verbesserungen?

Auf diese Frage ging die Pressestelle der Wiener Linien am Montag nicht ein. Man betont, dass man solche Rückmeldungen „ernst“ nehme, zugleich sieht man nun offenbar doch Verbesserungsbedarf. Denn das eigentlich abgewürgte Reinigungs-Pilotprojekt für die Fahrer-Klimaanlage sei „noch nicht abgeschlossen“; man schaue sich an, „ob es Optimierungsbedarf bei internen Prozessen gibt und wenn ja, wie diese verbessert werden können“.

Der Druck dürfte jedenfalls enorm sein, denn Kritik kommt jetzt auch aus der Wirtschaftskammer: Der Berufsgruppensprecher der Klimatechniker, Dominik Dank, erinnert die Wiener Linien daran, dass „Arbeitnehmerschutz Betriebspflicht ist“. „Auch wenn es kompliziert ist, muss ich als Anlagenbetreiber die Wartung und Desinfektion ordentlich durchführen. Und wenn es sein muss, muss ich das Gerät dabei halt abbauen“, sagt Dank. Schimmel – wie er auf der Dämmung zu sehen ist – sei ganz klar „eine Gesundheitsgefährdung“, weshalb man sich dringlich „besser um die Wartung kümmern möge“.

Auch von Hersteller Siemens, der 1995 den ersten ULF-Zug ausgeliefert hat, heißt es: „Wir stehen mit technischer Unterstützung bereit, falls es ein Problem geben sollte.“ Hinter vorgehaltener Hand ist in der Branche auch zu hören, dass man Nachrüstungskonzepte für die in die Jahre gekommenen Klimaanlagen angeboten habe – ohne Ergebnis.

Betriebsrat macht Druck

Faktum ist, dass die Causa längst auch im Zentralbetriebsrat aufgeschlagen ist: „Das Problem wird schon lange hin- und hergeschoben. Wir verlangen ein Experten-Gutachten über die Gefährdung der Fahrer“, sagt der unabhängige Gewerkschafter Richard Brandl.

Vorsitzender Michael Dedic (FSG) will sich auch nicht abspeisen lassen: „Wenn Fehler da sind, gehören die korrigiert.“ Begeistert reagierte am Sonntag ein Fahrer: „Danke an den KURIER – jetzt endlich wissen alle darüber Bescheid.“

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