Wiener Grüne: Wahl von Doppelspitze als Stimmungstest für Bund
Der eigentliche Programmpunkt der gestrigen Landesversammlung der Grünen in der Wiener Messe war rasch vollzogen. Keine halbe Stunde dauerte es, bis die Stimmen der 201 anwesenden Parteimitglieder abgegeben sowie ausgezählt waren und feststand: Die nicht amtsführende Stadträtin Judith Pühringer und ihr Amtskollege Peter Kraus sind die neuen Parteiobleute der gewichtigen Landesorganisation.
Exakt 83,6 Prozent der Anwesenden votierten für die beiden. Gegenkandidaten gab es keine. Pühringer und Kraus übernehmen ihre Funktion nach Vorbild der deutschen Grünen gemeinsam. Die Partei hat damit zum ersten Mal eine Doppelspitze – und erstmals direkt gewählte Chefs.
Denn die Funktion wurde erst 2019 geschaffen. Vorgängerin Birgit Hebein erhielt den Posten damals automatisch. Hebein legte ihn aber im Jänner zurück, nachdem sie der grüne Klub im Nachgang der Wien-Wahl im Rathaus demontiert hatte.
Pühringer sprach nach der Wahl von einem „super Gefühl“, Kraus zeigte sich „erleichtert“ und bezeichnete das Ergebnis als „klaren Auftrag“. Zuvor hatte sich das Duo in einer Rede an der Stadtregierung abgearbeitet.
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) habe die Bagger hervorgeholt, gleich nachdem die Grünen aus der Koalition draußen waren, bekrittelte Kraus mit Blick auf die rote Verkehrspolitik. Pühringer warf Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) vor, mit der jüngsten Reform der Lehrerzuteilung Bildungsversprechen zu brechen.
Zwei Premieren
In die Parteigeschichte eingehen wird die Landesversammlung aber nicht nur aufgrund der Wahl, sondern auch aus zwei anderen Gründen. Erstens war sie das erste Treffen seit Ausbruch der Pandemie, dass mit physischer Präsenz stattfand.
Die wiedererlangte Möglichkeit, sich in direkten Debatten zu verlieren, kosteten so manche Mitglieder auch gehörig aus – etwa, als es um das grüne Lieblingsthema Parkplätze ging.
Zweitens wurde die Versammlung unerwartet zu einem Stimmungstest für die Bundespartei: Das Treffen war nämlich auch die erste große Grünen-Zusammenkunft seit Publikwerden der Ermittlungen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der daraus resultierenden Regierungskrise.
Rebellische Landesorganisation
Dass dieser Test in Wien stattfand, machte die Sache heikel: Die hiesige Landesorganisation gilt als besonders links und ÖVP-kritisch. Das dem so ist, gab Kraus sogar indirekt zu: „Ja, die Wiener Grünen sind anders“, sagt er.
Das solle auch so bleiben: Gleichzeitig würde sich die Bundespartei immer auf die Wiener Kollegen verlassen können, „wie auf eine gute Freundin“.
Dass die grüne Regierungsriege fast geschlossen in der Messe erschien, ist vor diesem Hintergrund wohl kein Zufall. Klubchefin Sigi Maurer machte den Vorsitz, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sowie Justizministerin Alma Zadic waren im Publikum und Vizekanzler Werner Kogler arbeitete in einer 30-minütigen Rede die Geschehnisse seit „diesem ominösen Mittwoch“ auf.
Die Grünen würden „staatspolitische Verantwortung“ wahrnehmen, die Bewährungsprobe habe man bestanden, lobte er die eigene Partei. Pühringer und Kraus seien stets eingebunden gewesen, beteuerte Kogler – wohl um Kritik im Keim zu ersticken.
Mit Abwesenheit glänzte übrigens Umweltministerin Leonore Gewessler. Von den Entscheidungen in ihrem Ressort hängt es ab, ob der aktuelle Friede mit Wien währt: Als Einstandsgeschenk für Kraus und Pühringer erwartet man von ihr die Absage des Lobautunnels.
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