Stattdessen macht die heute 59-Jährige seit fast 32 Jahren genau das, was sie machen will: mit dem Bus durch Wien fahren. Dass sie aufgrund ihres Berufswunsches zusätzlich Pionierarbeit für die Wienerinnen geleistet hat, ist nebenbei passiert, wie sie sagt.
Getrennte Toiletten
Schon als Jugendliche stand für Valerie Ertl fest, dass sie große Fahrzeuge lenken möchte. „Einfach weil man da viel Zeit für sich hat – im Kopf“, sagt sie. Zunächst aber hat sie unter anderem als Fahrlehrerin und Taxifahrerin gearbeitet und den Führerschein für Lkw mit Schweranhänger gemacht. Bis ihr eine Freundin erzählte, dass sie jetzt als Straßenbahnfahrerin bei den Wiener Linien arbeitet. „Da habe ich mir gedacht: Straßenbahn wäre nichts für mich. Aber Busfahrerin, das schon“, sagt sie.
Ganz so einfach war es 1992 dann aber doch nicht. „Bei der Aufnahme wurde mir gesagt, dass ich nicht Busfahrerin werden kann, weil es keine sanitären Anlagen für Frauen gibt“, sagt Ertl. Bei der Straßenbahn dagegen gab es getrennte Anlagen – weshalb Frauen schon seit 1970 als Straßenbahnfahrerinnen bei den Wiener Linien arbeiten konnten. „Also habe ich mich bei der Straßenbahn beworben und wollte mich sobald wie möglich umschulen lassen.“ Als die Nachricht kam, wann ihre Ausbildung in der Straßenbahnschule beginnen sollte, stand darin noch etwas anderes: „Wenn Sie immer noch Bus fahren möchten, dann rufen Sie mich an“. Und dazu kam es.
Straßenbahn statt Bus
Statt in die Straßenbahnschule besuchte Valerie Ertl die Busschule. „Die sanitären Anlagen gab es nämlich sehr wohl, und zwar schon lange vor 1992.“ Nur wurden die Toiletten bis dahin zwischen Fahr- und Büropersonal getrennt.
Das war aber wohl nur ein Teil der Begründung: „Meine persönliche Vermutung ist, dass auch die damaligen Forderungen der ersten Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) meiner Anstellung zugutegekommen sind“, sagt Ertl. Wie auch immer, Valerie Ertl hat es als erste Frau in die Busschule der Wiener Linien geschafft. Und die jungen Männer, mit denen sie die Kurse besuchte, waren nicht selten beeindruckt, sagt sie. „Im Prinzip konnte ich, was die Schwerfahrzeuge betrifft, schon viel mehr als viele der Männer.“
Frauen am Steuer
Verwunderte Blicke hat Valerie Ertl seitdem einige geerntet. „Etwas Schlimmes ist mir aber nie widerfahren. Auch in der Nacht habe ich mich immer sicher gefühlt“, sagt sie.
Einige belustigende Situationen habe es aber schon gegeben. Einmal habe ein Bub gemeint: „Mein Papa hat gesagt, Frauen können nicht fahren.“ Valerie Ertls Antwort darauf: „Und kann dein Papa Bus fahren?“ Mit einem Nein war die Unterhaltung beendet. „Aber ja, das Vorurteil, dass Frauen nicht fahren könnten, wird leider noch immer weitergeben“, sagt Ertl.
Vieles andere dagegen sei besser geworden. Die Fahrzeuge und die Dienstkleidung zum Beispiel, sagt Valerie Ertl. Die einzige Frau, die einen Bus durch Wien lenkt, ist sie ebenfalls schon längst nicht mehr. Auch wenn der Anteil an Lenkerinnen bei den Wiener Linien noch immer unter zehn Prozent liegt. Und getrennte Toiletten gibt es mittlerweile auch in jedem Bereich.
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