Wiens ÖVP-Chef Mahrer: "Habe kein Problem, mit der FPÖ verglichen zu werden"

Wiens ÖVP-Chef Mahrer: "Habe kein Problem, mit der FPÖ verglichen zu werden"
Karl Mahrer sprach anlässlich der Wahl am 27. April über Kriminalität und Bildung. Und was die ÖVP mit der FPÖ eint, aber auch trennt.

Karl Mahrer hat nach dem Ausscheiden von Gernot Blümel aus der Politik die Wiener ÖVP übernommen. Der ehemalige Polizist setzt besonders auf die Themen Sicherheit, Integration und Bildung.

Der KURIER hat Mahrer auf Eismarillenknödel im Eissalon Tichy in Favoriten getroffen – auch die Gespräche mit den anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien finden dort statt. Mit Mahrer drehte sich das Gespräch um Kriminalität, die Kampagne und auch seine durchwachsenen Beliebtheitswerte.

Die erste Frage richtet sich an den Polizisten Karl Mahrer: Was macht eine Stadt sicher?

Karl Mahrer: Wenn die Menschen sich in einer Stadt wohlfühlen und sicher fühlen, dann ist das der beste Beweis für die Stadtverantwortlichen, aber auch für die Polizei, dass sich die Arbeit auszahlt.

Und als Politiker: Ist Wien eine sichere Stadt?

Wir haben in Wien ein durchwachsenes Bild. Es gibt wunderschöne Plätze, die sicher sind und wo man sich wohlfühlt, und es gibt auch genau das Gegenteil. Ich habe vom Funkstreifenpolizist bis zum Polizeivizepräsidenten alle polizeilichen Stationen durchgemacht: Wien ist noch immer eine wunderschöne Stadt, aber es gibt Bereiche, in denen wir viel Kriminalität haben, Bandenkriminalität, Jugendkriminalität im öffentlichen Raum. Das beeinflusst das Sicherheitsgefühl der Menschen negativ und es sind Entwicklungen, auf die wir aufpassen müssen.

Neben dem Unsicherheitsgefühl ist Wien seit Jahren lebenswerteste Stadt der Welt. Wie passt das zusammen?

Das sind Studien, wo sehr oft Kongressbesucher, Touristinnen und Touristen sowie Expats gefragt werden, die in bestimmten Bereichen in Wien leben, wo ich auch sage, dort ist es wunderschön und sicher. Aber wir sollten auch die Wienerinnen und Wienern befragen. Darum sieht unser Sicherheitspaket unter anderem vor, dass wir eine wissenschaftlich fundierte Erhebung des Sicherheitsgefühls der Menschen in dieser Stadt brauchen, die tief hinein in die Grätzel geht. Es geht auch nicht immer um Kriminalität, wenn sich Menschen unsicher fühlen. Sondern zum Beispiel um die schlechte Beleuchtung. Wir wollen die Schaffung einer Task Force, die sich um die rasche Behebung von Unsicherheitsgefühlen der Menschen kümmert.

In diesem Wahlkampf ist auffallend, dass fast alle Parteien ähnliche Themen teilweise sogar mit gleichen Forderungen beackern. Alle wollen mehr Polizei, alle wollen das Bildungs- und Gesundheitssystem retten. Gibt es noch Unterschiede zwischen den Parteien?

Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die Volkspartei diese Themen seit vielen Jahren ganz klar benennt. Ich wurde dafür nicht immer mit Lob überschüttet, sondern manchmal auch mit dem Gegenteil. Es freut mich natürlich, wenn andere Parteien das auch erkennen, aber ich glaube nicht an den Änderungswillen, weil SPÖ, Neos und Grüne in Wien in den letzten 25 Jahren in unterschiedlichen Zeitabfolgen die Probleme zu einem großen Teil verursacht und sie bis zu diesem Wahlkampf weggeleugnet oder schöngeredet haben.

Es wurde in den Bildungsbereich investiert. Waffenverbots- und Alkoholverbotszonen wurden verordnet. Dass nichts passiert, stimmt so auch nicht.

Die Waffenverbotszone hat der Innenminister eingerichtet, der Bürgermeister hat das begrüßt. Es freut mich, dass es auch hier ein Miteinander gibt. Die Alkoholverbotszone am Praterstern hat Bürgermeister Ludwig unmittelbar nach seinem Start verordnet. Dann haben wir als Volkspartei sieben Jahre lang die Alkoholverbotszone am Bahnhof Floridsdorf gefordert. Drei Monate vor der Wahl wird sie eingeführt. Ich kritisiere das nicht, sondern ich freue mich darüber, dass es jetzt endlich die Lösung gibt, aber man muss klar sehen, wer was gemacht hat in den vergangenen Jahren. Und bei der Bildung ist es eine ganz klare Situation. Die Neos haben seit viereinhalb Jahren Verantwortung für den Bereich. In der Zwischenzeit ist die Anzahl der Kinder, die am Beginn der Volksschule den Lehrer nicht verstehen, auf 20.000 angewachsen, fast jeder zweite Volksschüler kann nicht ausreichend Deutsch und das Wesentliche ist, 80 Prozent dieser Kinder sind zwei Jahre in den Kindergarten gegangen.

Ist es nicht ungerecht, den Neos als Stadtpartei die Bildungsprobleme vor allem auch hinsichtlich der globalen Krisen komplett anzulasten?

Es hat nichts mit der globalen Krise zu tun, wenn ich als Neos gemeinsam mit der SPÖ in einem Regierungsprogramm verspreche, dass es 500 statt 300 Sprachförderkräfte geben wird. Wir haben bis heute noch immer nicht mehr als diese 300. Damit ist dieses Versprechen gebrochen worden. Das kann man mit vielen anderen Punkten ergänzen. Erinnern Sie sich an den Kindergarten-Förderskandal Minibambini, wo viele Millionen Euro völlig ohne Kontrolle ausgestreut worden sind. So kann es einfach nicht weitergehen. Die Neos haben in diesem Bereich einfach nicht geliefert.

Sie betonen immer wieder, dass Sie eine Partei der Mitte sind. Es gibt aber viele Stimmen, die sagen, Sie kopieren die FPÖ.

Ich habe eigentlich überhaupt kein Problem damit, mit der FPÖ verglichen zu werden. Wir haben eine Politik für die normalen Menschen in dieser Stadt, für die Menschen, die tagtäglich aufstehen, die Leistung bringen, die ganz normal in dieser Stadt leben wollen. Denen wollen wir sagen, dass es in einigen Bereichen kippt, aber es die gute Nachricht gibt, dass wir die Probleme lösen können. Den Willen zur Lösung, den sehe ich bei der FPÖ nicht. Weder in Wien noch im Bund. Erinnern Sie sich an Herbert Kickl, auch er wollte in Wahrheit die Probleme nicht lösen und ist deshalb an der Regierung gescheitert.

Sie haben einen sehr auffallenden Wahlkampf – mit Videos, einem Lied, er ist bunt, manchmal ein bisschen schräg, manches ist an die junge Zielgruppe gerichtet, manches bürgerlicher. Geht da der Markenkern nicht verloren?

Ganz sicher nicht. Der Markenkern der Volkspartei besteht aus den drei wesentlichen Botschaften. Hinschauen statt wegschauen, Probleme ganz klar und auch pointiert benennen und Probleme lösen. Und auf all das gibt unsere Kampagne auch entsprechende Antworten.

Dafür, dass Sie doch relativ kurz in der Politik sind, haben Sie einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Laut einer OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER kennen Sie nur 18 Prozent der Leute nicht, aber gleichzeitig haben 63 Prozent eine weniger gute Meinung von Ihnen. Worauf führen Sie das zurück?

Vielleicht kennen mich noch nicht alle Leute wirklich. Die teilweise durchwachsene Meinung führe ich auch darauf zurück, dass wir in Wien schon eine Situation haben, wo jemand, der die Probleme klar benennt, zuerst einmal kritisiert wird. Es heißt dann: Wien-Bashing, Kritik an Wien, Wien ist doch wunderschön! Wir sind uns alle einig, wir sind begeistert von Wien, aber wir müssen hinschauen, wenn wir sehen, dass in dieser Stadt etwas schiefläuft. Ich möchte nicht deshalb kritisieren, weil ich gerne kritisiere, sondern damit wir Probleme lösen können.

Wiens ÖVP-Chef Mahrer: "Habe kein Problem, mit der FPÖ verglichen zu werden"

KURIER-Serie: Interviews mit den Spitzenkandidaten beim Eissalon Tichy: Karl Mahrer (ÖVP)  im Gespräch mit Chronik-Ressortleiterin Agnes Preusser.

Viele Parteien, allen voran die ÖVP, stellen die Wien-Liebe in den Vordergrund. Darum zum Abschluss. Was lieben Sie in Wien am meisten?

Ich liebe fast alles in Wien, am meisten die Eismarillenknödel.

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

Karl Mahrer (Jahrgang 1955) ist Wiens ÖVP-Chef - er übernahm die Stadttürkisen nach dem Rücktritt von Gernot Blümel im Jahr 2021. Mahrer hat seine Wurzeln bei der Polizei, er war unter anderem Vizepräsident der Landespolizeidirektion Wien. Von 2019 bis 2021 war er Sicherheitssprecher des ÖVP-Parlamentsklub. In dieser Funktion folgte ihm Christian Stocker, derzeitiger Bundeskanzler, nach. Mitten im Wienwahhlkampf 2025 erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Untreue in der Causa Wienwert Anklage gegen Mahrer. Dieser beteuert seine Unschuld.

ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.

Die Kriminalität in Wien gilt im Vergleich zu vielen anderen Großstädten als relativ niedrig. Laut der aktuellsten polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2023 insgesamt 186.475 Anzeigen bei der Polizei Wien erstattet, das entspricht 10,8 Prozent mehr als im Jahr davor (2022: 168.303). 

Die Aufklärungsquote lag bei 44,3 Prozent. Mit 98.878 ausgeforschten Tatverdächtigen konnten 15,9 Prozent mehr als im Vorjahr angezeigt werden (85.295 Personen). 

Der prozentuale Anteil der fremden Tatverdächtigen stieg auf 55,3 Prozent an (2022: 52,9 Prozent).

Die Jugendkriminalität umfasst in der Regel Straftaten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren sowie von jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 20 Jahren. Im Gegensatz zu Jugendlichen unter 14 Jahren sind diese Altersgruppen deliktsfähig, das heißt strafbar (die Setzung von Erziehungsmaßnahmen, etwa die Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft, ist auch bei unter 14-Jährigen möglich). Die Strafrahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz, also bei 14- bis 18-Jährigen, sind in vielen Fällen niedriger als bei Erwachsenen. 

Derzeit werden jedoch immer wieder Forderungen nach härten Strafen für junge Täter laut, nachdem Berichte über minderjährige Handyräuber, Autoknacker, Schläger, Vergewaltiger oder Drogendealer in der subjektiven Wahrnehmung vieler in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Tatsache ist: In Wien wurden im Vorjahr 568 Minderjährige angezeigt. Zu Festnahmen kam es allerdings nur in 55 Fällen. Der Grund dafür: Ein Großteil der Delikte geht auf zwei oder drei Dutzend sogenannter Intensivtäter zurück, also Unbelehrbare, die wiederholt straffällig werden.

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