Wiener Kultbeisl saniert: Café Leo ersetzt das Leopoldistüberl
Das traditionelle Wiener Wirtshaus "Leopoldistüberl" ist zum Café Leo geworden.
Wie authentisch ein Beisl ist, erkennt man auch an den Gästen. Im Leopoldistüberl in der Leopoldsgasse 22 war die Wilde Wanda, Wiens einzige Zuhälterin, ebenso Stammgast wie Marco Fitzthum, Kopf der nach ihr benannten Band Wanda.
Einen gewissen Kultstatus darf man dem Tschocherl also durchaus nachsagen. Geführt wurde es für über 30 Jahre von den Wirtsleuten Patrizia und Ernst, bevor das Beisl zuletzt geschlossen blieb.
Ein neuer Mieter hat das Lokal kürzlich saniert und umgebaut – und als Café neu eröffnet. Übernommen hat Stefan Gredler, hauptberuflicher Möbelbauer und im Grätzel aufgewachsen.
Lagerraum mit Lokal inklusive
Der 30-Jährige war eigentlich auf der Suche nach einem Lager für seine Werkstatt. Das Leopoldistüberl gab es sozusagen zum Lagerraum dazu.
„Wenn einem eine derartige Chance in den Schoß fällt, sollte man sie ergreifen“, sagt Gredler zum KURIER. Er ist zwar selbst kein Profigastronom, kennt aber einen: Laurin Mellem, Co-Inhaber der Bar „Gehsteig“ in der Schmelzgasse 14, und stiller Partner von Gredler.
Das Leopoldistüberl wurde umgebaut und saniert, Einzelteile sind für Nostalgiker jedoch erhalten geblieben.
Der Reiz, ein Lokal von Grund auf selbst einzurichten, war schließlich groß genug, um den Mietvertrag zu unterzeichnen: Innerhalb von drei Monaten wurde das Lokal generalsaniert, komplett renoviert und im Juni als Café Leo neu eröffnet.
Mit dem Segen der Wirtsleute
Verschwunden sind die dunklen Holzvertäfelungen, die Schank aus den 50er-Jahren und die Schwarz-Weiß-Fotografien.
Die Zwischendecke wurde auch entfernt, der Plafond trägt aber noch die Spuren der Prä-Rauchverbotszeit. Geblieben ist auch der rote Eisenschriftzug „Leopoldi-Stüberl“ über der Eingangstür.
Den Segen der ehemaligen Wirtsleute hat der Neo-Gastronom übrigens auch erhalten („Das passt schon, das wird schön.“).
Es gab die Überlegung, es als Tschocherl weiterzuführen, vieles von der Substanz war aber einfach nicht mehr zu retten.
Betreiber
„Es gab die Überlegung, es als Tschocherl weiterzuführen, vieles von der Substanz war aber einfach nicht mehr zu retten“, schildert Gredler.
Sinnbildlich dafür: Der alte Leuchtschriftzug, den er kurzerhand beim Wort „Leo“ abgeschnitten und ein leuchtendes „Café“ dahinter gesetzt hat.
Café und Bar für die Nachbarschaft
Im Innern lassen nun hohe Fenster das Tageslicht herein, der Holzboden gibt dem Raum wohnliche Wärme. Die Möbel sind teilweise Eigenbau, vieles aber ein charmantes Sammelsurium, darunter alte Theaterbestuhlung und Fundstücke von Freunden, Bekannten und Willhaben.
Dank neuem Schanigarten kann man auch endlich draußen sitzen. Rein äußerlich ist die Veränderung groß, das Café ist aber spürbar ein Ort für die Nachbarschaft geblieben.
Marco Wanda war laut Gredler noch nicht wieder da. Ein Besuch sei ihm an dieser Stelle wärmstens empfohlen, allein schon für den Apfelstrudel, den Gredlers Mama selber macht. Oder die Croissants.
Bodenständig auch die fleischlose Karte: Beim Frühstück (ab 7,90 Euro) ist vieles bio, der wirklich gute Kaffee kommt von der italienischen Rösterei „Caffè Cavaliere“.
Später wird das Café auch zur Bar und serviert Longdrinks (Cocktails auf Anfrage), Toast, Wiener Tofu vom Karmelitermarkt oder Focaccia.
Das Café ist gut angelaufen – auch wenn Gredler nie plante, eines zu eröffnen, ihm die Inszenierung auf den sozialen Medien nicht liegt und er „mit echt wenig Konzept“ angefangen hat.
Ist das nun verrückt oder mutig? Es ist auf jeden Fall authentisch.
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