Stammgast Helmut Gallner: Ein Klischee im Wiener Kaffeehaus

Helmut Gallner ist 82 und ist treuer Stammgast im Cafe Sperl
Helmut Gallner geht seit über 40 Jahren täglich ins Café Sperl und das trotz zunehmender Krankheit. Das Kaffeehaus ist für ihn ein Kurort, Bekanntschaften hält er in einem Tagebuch fest.

Die Kanne Kaffee ist schon ausgetrunken, der kleine Tisch mit drei Tageszeitungen zugedeckt. Auf einer Serviette notiert sich Helmut Gallner, wen er heute noch anrufen will. Es ist sein morgendliches Ritual im Café Sperl und das seit mehr als 40 Jahren.

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„Aber nicht, weil meine Frau so schlecht kocht“, scherzt der 82-Jährige. „Man geht ins Kaffeehaus, um allein, aber doch zu Hause zu sein“, zitiert der ehemalige Lehrer für Literatur. 

Stammgast Helmut Gallner: Ein Klischee im Wiener Kaffeehaus

Gallner sagt selbst, er sehe wie das Klischee von einem Kaffeehaustyp aus

Herr Gallner kennt einige Zitate. Von wem sie stammen, entfalle ihm aber immer öfter. Gallner macht eine wegwerfende Handbewegung und lacht: „Dann stammt's halt jetzt von mir.“

Wie aus einem Schnappschuss eine jahrelange Freundschaft wurde

Er komme aber auch wegen der Menschen und den Gesprächen ins Kaffeehaus. Aus einer Plauderei wurden auch schon langjährige Freundschaften. Eine dieser Bekanntschaften reist regelmäßig aus Helsinki an.

Begonnen hat alles vor rund sechs Jahren. „Sie saß am Nebentisch und hat ein Klischee von einem Kaffeehaustyp fotografiert. Dieses Klischee war ich", erzählt Gallner die Geschichte.

"Als ich gehen will, kam ein kurzer Blick, ein Lächeln und schon waren wir im Gespräch.“ Begegnungen wie diese hält er in seinem Tagebuch fest. Beim Durchblättern zeigt er auf Fotos seiner Kinder und Bekanntschaften.

Das Geschriebene würde immer erlebnisarmer und mehr zum Krankenbericht: „Ich habe Krebs - aber den hat eh jeder - und Long Covid. Die Gespräche im Café sind für mich wie eine Form der Heilung. Für die Dauer der Unterhaltung fühle ich mich viel gesünder als ich bin.“

Zwischen Applaus und Buhrufen

Früher kam Herr Gallner mit dem Fahrrad ins Café Sperl. Mit dem Älterwerden musste er auf ein E-Bike umsteigen, heute schaffe er es nur noch mit dem Taxi. Ob ihm das Fahrradfahren fehle? „Wie vieles, was ich verloren habe, fehlt es mir überraschend wenig.“

Stammgast Helmut Gallner: Ein Klischee im Wiener Kaffeehaus

Im seinem Tagebuch hält Helmut Gallner seine Begegnungen fest.

Gallners ist auch ein großer Theater- und Musikliebhaber, deshalb kenne er auch die Besucher der Kulturstätten ganz genau: „Das Wiener Publikum reagiert heftiger, sowohl mit Buhrufen, als auch mit Applaus.“ Durch die vielen Künstler und Schriftsteller unter den Gästen herrsche für ihn in Kaffeehäusern eine ganz eigene Atmosphäre.

Intelligente Trottel

„Inzwischen kommen viele Touristen. Dadurch ist es manchmal überlaufen.“ Neue Gesichter sind ihm aber nicht unwillkommen – ganz im Gegenteil. Als am Nebentisch Gäste Platz nehmen, wird Herr Gallner hellhörig: Das Paar hat deutschen Akzent.

In Wien ist man skeptisch gegenüber allem, was sich als absolute Wahrheit ausgibt – aber mit Humor

von Helmut Gallner

Stammgast im Café Sperl

Es wird darüber gesprochen, dass in Wien alle sehr nett seien. Da muss sich Gallner einschalten, bittet höflich um Verzeihung. Die Wiener und Wienerinnen seien nicht das freundlichste Volk, aber: „Wenn jemand auf Besuch kommt, geben wir uns Mühe.“

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Eine Eigenschaft, die er an den Wienern besonders schätzt: „In Wien ist man skeptisch gegenüber allem, was sich als absolute Wahrheit ausgibt – aber mit Humor. Intelligent sein kann jeder Trottel.“

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