Warum Wien am Freitag für die EU Flagge zeigt

Blaue Fahnen mit gelben Sternen und: Wer am Freitag in Wien in eine Bim steigt, wird mit dieser Beflaggung an den Europatag erinnert, der heuer gleich doppelt historisch aufgeladen ist. Einerseits ist Österreich generell seit 30 Jahren Mitglied der Europäischen Union (EU), andererseits jährt sich am 9. Mai die Schumann-Erklärung zum 75. Mal, die den Grundstein zur EU gelegt hat (siehe Artikel unten).
Für Wien ein besonderer Grund zum Feiern. „Von allen großen Metropolen hat Wien am meisten von der EU profitiert“, sagt Patrick Lobis, der seit heuer die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich leitet. „Von der absoluten Randlage ist Wien ins Herz Europas gerückt.“ Zudem würde jeder dritte Arbeitsplatz vom Binnenmarkt abhängen und es gäbe kein größeres Forschungsprojekt in der Stadt, das nicht auch mit EU-Geldern finanziert werde.
Für ein kleines Land wie Österreich ist ein gemeinsames Europa wichtig, ergänzt Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). „Wegen des internationalen Wettbewerbs, aber auch wegen des Kriegs Russlands in der Ukraine und die immer unberechenbarer werdenden USA.“
Vorreiterrolle
Umgekehrt sei Wien selbst auch ein wichtiger Partner in der EU – und hätte als Vorzeigemetropole eine wichtige Vorreiterrolle, sagt Lobis, zum Beispiel im Bereich des leistbaren Wohnens. Dass es mit Dan Jørgensen seit Herbst erstmals einen EU-Kommissar fürs Wohnen sowie einen europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum gibt, daran sei Wien maßgeblich beteiligt, erklärt Ludwig. Im Vorfeld der Europawahlen hat er eine neue Ausrichtung der europäischen Wohnpolitik und die stärkere Einbindung der Städte und Regionen gefordert.
Dass in Wien immer wieder große Konferenzen zum Thema leistbares Wohnen stattfinden, sei zusätzlich förderlich.
Bio-Stadt
Wien hat eine Reihe an EU-Auszeichnungen erhalten. 2023 wurde Wien z. B. als „Beste Bio-Stadt“ mit dem EU Organic Award prämiert.
Barrierefreiheit
Im vergangenen November sicherte sich die fünfgrößte Metropole der EU dank ihres Engagements für Barrierefreiheit den Access City Award 2025.
Auch bei Klimaschutz oder Verkehr hätte Wien eine gewichtige Stimme. Dadurch ergeben die Flaggen auf den Bims übrigens gleich noch mehr Sinn. Die Straßenbahnen in Wien sind grundsätzlich sehr populär, sagt Ludwig. Dadurch, dass Wien das sechstgrößte Straßenbahnnetz der Welt habe, sei man auch hier internationales Role-Model.
Donau-Drehscheibe
Wien ist auch zentrale Drehscheibe bei der Donauraumstrategie (EUSDR) und beheimatet etwa den Hauptsitz des Sekretariats aller 14 EUSDR-Mitgliedsstaaten, das für eine bessere Einbindung der Zivilgesellschaft zuständig ist. Gemeinsam mit Slowenien werden von Wien aus zudem Projekte zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit koordiniert.
Ganz wienerisch wird Lobis am Ende des Gesprächs: „EU und Wien, das ist eine leiwande G’schicht würde man bei mir in Meidling sagen“.
Geschichte: Schumann-Erklärung legte den Grundstein
Am Freitag, 9. Mai, jährt sich die Schuman-Erklärung zum 75. Mal: 1950 legte der damalige französische Außenminister Robert Schuman mit seinem Plan zur Verflechtung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion den Grundstein für die Europäische Union. Im Jahr der Schuman-Erklärung hatten die europäischen Nationen noch mit den Trümmern des Zweiten Weltkriegs zu kämpfen.
Regierungen einiger europäischer Länder legten ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammen, um weiteren Kriegen vorzubeugen. Insbesondere ein weiterer Krieg der Erzrivalen Frankreich und Deutschland sollte so „nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich“ gemacht werden, wie es wörtlich in der Schuman-Erklärung heißt. Der Grundgedanke: Ein Zusammenschluss der wirtschaftlichen Interessen würde zu einer Erhöhung des Lebensstandards führen würde – das gilt als erster Schritt zu einem geeinten Europa. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) stand auch anderen Ländern offen.
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