Doch damit liegen sie falsch. Was sie nicht bemerkt haben, ist ein unscheinbarer Pfad. Der führt durch das Dickicht in einen Wald und bringt Besucherinnen und Besucher zu einem Pferdestall.
Kinder stärken
Dabei handelt es sich um keinen herkömmlichen Stall, sondern um das „Pferdewildnisprojekt“: Eine gemeinnützige Initiative, die Kindern mit speziellem Förderbedarf in der Natur dabei hilft, sich selbst besser zu verstehen und in der Schule zu integrieren. „Durch die Interaktion mit unseren Pferden fördern wir die soziale, emotionale und psychische Entwicklung der Kinder und bieten Raum zur Stärkung ihrer Persönlichkeit“, erklärt Initiatorin Waltraud Marsoner.
Der etwas andere Unterricht
Wöchentlich werden Kinder, die meist über die Partnerschule „Stadtteilschule Mittelgasse“ in Mariahilf vermittelt werden, mit einem Fahrtendienst für je zwei Unterrichtsstunden in die Donaustadt gebracht. „Das zählt für die Kinder als reguläre Unterrichtszeit, nur lernen sie hier eben etwas anderes“, sagt Marsoner. Über 1.000 Schülerinnen und Schüler, insbesondere aus Förderklassen oder Sonderschulen, haben seit der Gründung im Jahr 2012 am Projekt teilgenommen.
Der gewählte Standort ist bewusst sehr abgeschieden: „Die Kinder, die hier herkommen, brauchen einen Platz der Ruhe.“ Marsoner habe über die Jahre zudem beobachtet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefallen daran finden: „Sie nennen den Weg vom Bus zum Stall gern den Märchenwald“.
Arbeiten im Team
Dort angekommen sind mittlerweile vier Schülerinnen und Schüler der Volksschule Phorusgasse in Wieden. Felix, Luca, Laurenz und Lilith sind schon ein eingespieltes Team, denn sich kommen seit Beginn des Schuljahres wöchentlich in den „Märchenwald“.
Gemeinsam bringen sie nach der Ankunft die vollen Müllcontainer weg und ersetzen sie mit leeren – und sie scheinen Spaß dabei zu haben. „Die Erfahrungen bleiben hängen. Sie freuen sich, wenn sie selbstständig etwas machen können“, sagt Marsoner. Besonders bei autistischen Kindern nehme sie enorme Erfolge wahr.
„Die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu, das Selbstbewusstsein wird gestärkt. In der Kleingruppe lernen die Kinder, wie man richtig zusammenarbeitet – das übernehmen sie dann eben auch in der Schulklasse.“ Im Anschluss werden die Pferde Fee und Flicker von der Wiese geholt. Die Kinder sollen sie vor ihren Übungen gemeinsam putzen. „Darf ich noch zusammenkehren“, fragt Felix und schnappt sich einen Besen. Lilith entscheidet sich stattdessen dafür, die Mähne von Flicker zu pflegen. Dazwischen gibt es Streicheleinheiten.
Verantwortung lernen
Waltraud Marsoner beaufsichtigt die Kinder, spricht ihnen gut zu und mahnt auch zur Vorsichtigkeit: „Es ist wichtig, dass die Kinder lernen, dass ein Pferd nicht nur zum Reiten da ist, sondern dass es sich um ein Lebewesen handelt, für das man Verantwortung hat.“
Nachdem Felix eifrig zusammengekehrt hat, entscheidet er sich doch noch, beim Putzen mit zu helfen. Das genießen scheinbar nicht nur die Tiere, sondern auch die Kinder: Gemeinsam geht es eben wirklich besser.
Kommentare