Lernwerkstatt Wien West: "Wir sind der Bildungsdirektion egal"

Eine Demo der Lernwerkstatt Wien West vor dem Bildungsministerium
Die Schule mit sonderpädagogischem Schwerpunkt in Hernals soll einen neuen Standort bekommen. Eltern und Schüler sind dagegen.

Bunte Farben auf den Pflastersteinen und Kinder, die mit Pinsel und Eimer Farben zusammenmischen, während selbstgebackene Muffins verteilt werden. Die Versammlung vor dem Bildungsministerium am späten Donnerstagnachmittag unterscheidet sich von anderen Demonstrationen.

Die Eltern, Schülerinnen und Schüler der Volksschule Lernwerkstatt Wien West haben sich mit weiteren Unterstützern vor dem Ministerium am Minoritenplatz versammelt, um ihrem Unmut über die kommende Standortverlegung von Hernals nach Ottakring Ausdruck zu verleihen. Ein funktionierender inklusiver Standort werde aufgelöst, so die Versammelten.

"Wir sind der Bildungsdirektion egal", sagt ein Vater, dessen Sohn ein Sprachproblem hat und dessen Tochter im Rollstuhl sitzt, in die Menge. 

"Wer im Wahlkampf von Inklusion und Transparenz spricht, der darf sie dann nicht abschaffen", kritisiert Harald Fresacher, Mitglied des Elternvereins. Aber worum geht es hier eigentlich?

Schrittweise Standortverlegung

Die Lernwerkstatt, eine Schule mit sonder- und sprachheilpädagogischem Schwerpunkt, soll schrittweise über mehrere Jahre an einen neuen Standort in die Panikengasse im 16. Bezirk umsiedeln. Betroffene orten darin eine "Ausdünnung" der Schule.

"Im Grunde ist es eine Schließung des Standorts, sie lassen es ausschleichen", so eine betroffene Mutter, die anonym bleiben möchte. Die Einrichtung lebe von Mehrstufenklassen und Sonderpädagogik. Kindern mit besonderen Bedürfnissen würden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden. Auch der neue Schulweg - rund drei Kilometer von der jetzigen Adresse entfernt - sei für viele Familien nicht machbar, führt sie weiter aus.

Unklar sei auch, ob die Lehrkräfte mit zum neuen Standort übersiedeln: „Damit droht auch der Verlust der Expertise, die für dieses Modell essentiell ist”, schreibt der Elternverein in einer Aussendung.

Wieso die Schule umzieht

Umziehen wird die Schule allerdings erst im September 2026. Aktuell teilt sich die Lernwerkstatt noch das Gebäude mit einer Sonderschule für Kinder mit Körperbehinderungen (SKÖ) - und letztere brauchen in Zukunft mehr Platz. 

"Die Schule wird verlegt, nicht geschlossen. Der neue Standort bietet mittelfristig die Möglichkeiten des Ausbaus an sprachheilpädagogischen Plätzen. Gleichzeitig gibt es einen dringenden Bedarf an Schulplätzen für körperbehinderte Kinder, die nur an spezifischen Standorten geschaffen werden können", begründet die Bildungsdirektion (MA 56) die Entscheidung.

Außerdem können die Kinder der Lernwerkstätte die Volksschulzeit am bisherigen Standort verbleiben, wird betont. 

Elternverein kritisiert Kommunikation

Ein gutes Miteinander der beiden Schulen unter einem Dach hätte es bisher gegeben, sagt Stefanie Bramböck, deren Sohn die Lernwerkstatt besucht. Die beiden Einrichtungen teilen sich etwa Hort und Schwimmbad miteinander. 

Weniger gut sei dahingegen die Kommunikation zur Bildungsdirektion. Weder Eltern und Lehrkräfte, noch die Schulleitung seien in die Entscheidung eingebunden worden. Die Eltern hätten gar erst vor wenigen Wochen von dem Vorhaben erfahren. Der Elternverein kritisiert zudem, dass bei der Schuleinschreibung Anfang des Jahres zukünftigen Schülern und Eltern nicht kommuniziert worden sei, dass beim Schulmodell einige Änderungen bevorstehen.

Bis zur Umsiedlung sollen mit der Schulleitung die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, um die Eltern im Detail zu informieren, heißt es von der MA 56 zur Kritik der Eltern.

Klärendes Gespräch

"Ich stehe hinter dieser Entscheidung, weil wir nur so dem steigenden Bedarf an Schulplätzen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen gerecht werden können. Der Standort in Hernals bleibt erhalten und wird künftig gezielt für die Förderung körperbehinderter Kinder genutzt. Unser Ziel ist eine zukunftssichere, inklusive Bildungslandschaft für alle Kinder“, so Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (Neos) auf KURIER-Nachfrage. Sie habe zum Austausch eingeladen, um die Notwendigkeit der Umsiedlung zu besprechen.

Harald Fresacher, Mitglied des Elternvereins der Lernwerkstatt

"Wir sind auch für andere Schulen mit ähnlichen Situationen hier - damit es in Zukunft besser läuft", so Fresacher.

"Auf unsere Frage nach Strategien, Plänen, Konzepten wurde ausgewichen. Man verstehe, dass wir uns Transparenz wünschen, die könne man aber nicht anbieten", berichtet Bramböck über das Treffen des Elternvereins mit der Bildungsstadträtin und der Bildungsdirektion. Kommunikationsfehler seien eingeräumt worden, sagt sie.

"Der Kommunikationsfehler war, dass wir davon erfahren haben", so Fresacher über das Treffen. Er habe aber Verständnis für Emmerling, die neu im Amt ist, und die Agenden gerade erst übernommen hat.

"Ich hätte mir aber mehr Empathie und Verständnis erhofft. Wir wissen, dass es für uns nichts mehr verändert, aber wir sind auch für andere Schulen mit ähnlichen Situationen hier - damit es in Zukunft besser läuft", so Fresacher.

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

Hernals, der 17. Bezirk, wurde 1892 aus den Gemeinden Hernals, Dornbach und Neuwaldegg gebildet. Urkundlich erwähnt wurde Hernals allerdings schon im Jahr 1044 - damals noch als zwei Grundstücke an der Als. Auf einer Fläche von 11,4 km² leben 56.671 Menschen. Über 70 Prozent der Fläche machen Grünland und Gewässer aus, vor allem im Westen des Bezirks. Am Gürtel im Osten des Bezirks ist die Bevölkerungsdichte im Vergleich höher. Die durchnittliche Hernalser Bevölkerung ist 41 Jahre alt. Bezirksvorsteher ist Peter Jagsch (SPÖ).

Ottakring ist seit 1892 der 16. Wiener Gemeindebezirk. Er wurde aus den Gemeinden Ottakring und Neulerchenfeld gebildet. Auf der Bezirksfläche von 8,7 km² leben 102.700 Menschen und über 2.000 Hunde. Der Brunnenmarkt im Yppenviertel ist der längste Straßenmarkt der Stadt. Neben dem Brunnenmarkt und Wilhelminenberg kennt man Ottakring außerdem für das gleichnamige Bier. Das Ottakringer-Bier wird immer noch in der Großbrauerrei im 16. Bezirk hergestellt. Bezirksvorsteherin ist Stefanie Lamp (SPÖ).

Die Partei NEOS steht für das Neue Österreich. Gegründet wurde sie 2012, die Parteifarbe ist Pink. NEOS gilt als eher (links-)liberale Partei der Mitte, sie vertritt hauptsächlich ein modernes, urbanes, unabhängiges Bürgertum. Wichtige Themen der NEOS sind Bildung und Transparenz. In Wien schaffte die Partei nach der Wahl 2020 den Sprung in die Stadtregierung, NEOS-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr wechselte vor Kurzem allerdings als Bildungsminister in die Bundesregierung. Spitzenkandidatin am 27. April ist daher Selma Arapovic.

Bettina Emmerling (Jahrgang 1980) ist Neos-Politikerin. Seit dem Wechsel von Christoph Wiederkehr im Jahr 2025 in die Bundesregierung ist Emmerling Vizebürgermeisterin der Stadt Wien sowie Stadträtin für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz. Davor war die bisherige Neos-Klubchefin zehn Jahre lang Abgeordnete zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderats.

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