Wie die Ärztekammer die Wiener Spitäler retten will

Die Episode ist sinnbildlich dafür, wie verhärtet die Fronten im Streit zwischen Stadt und Wiener Ärztekammer über die Personalnot in den Spitälern derzeit sind: Im Rahmen einer überaus angriffig geführten Debatte auf Puls4 übergab Kammer-Vizepräsident Stefan Ferenci vor wenigen Tagen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine Broschüre mit dem Zehn-Punkte-Plan der Standesvertretung zur Behebung der Spitalsmisere. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ließ Hacker das Papier am Tisch liegen. Bisher nur in Teilen veröffentlicht, liegt der gesamte 23-seitige Plan nun dem KURIER vor.
Rückkehr- und Bleibeprämie
Als Sofortmaßnahme hat die Kammer diesen Punkt schon im Mai präsentiert: Rückkehrende Angehörige von Gesundheitsberufen, die in den vergangenen fünf Jahren die Wiener Spitäler verlassen haben, sollen eine Prämie von 24.000 Euro bekommen. Ebenso jene, die die Spitäler in den letzten Jahren am Laufen gehalten haben. Die Bezieher verpflichten sich, weitere zwei Jahre in einem Wiener Krankenhaus zu arbeiten.
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Arbeitszeitverkürzung
Die Ärzte in den Gemeindespitälern sollen laut Forderung ihrer Standesvertretung künftig bei vollem Lohnausgleich nur mehr 32 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Weiters sollen flexible Arbeitszeitmodelle ausgebaut werden.
Personalplanung
Um Gewissheit zu haben, wie viele Ärzte in den Spitälern tatsächlich fehlen, pochen Ferenci und seine Mitstreiter auf einen Kassensturz, bei dem alle offenen und besetzten Stellen aufgelistet werden. Dazu würde auch ein rückblickender Leistungsvergleich auf Abteilungs- und Ambulanzebene gehören.
Wigev-Auslagerung
Um flexibler und effizienter agieren zu können, soll der Wigev aus dem Magistrat ausgegliedert werden. Ein Projekt, das die Stadt schon vor Jahren initiierte. Aktuell liegt es auf Eis. Wegen der Pandemie, wie es offiziell heißt.
Ausbildungsoffensive
Wegen des Personalmangels bleibe laut Kammer die Ausbildung auf der Strecke. Jungärzte müssten mehr und mehr als billige Arbeitskräfte und Lückenbüßer herhalten. Deshalb fordert sie eine Festlegung von fixen Ausbildungszeiten im Dienstplan von zumindest 20 Prozent für Ausbildner und Auszubildende.
Weniger Bürokratie
Eine Kammer-Forderung seit Jahren. Durch Digitalisierung (z. B. elektronische Fieberkurve) soll der Dokumentationsaufwand kleiner werden.
Mehr Sonderklasse
Wohl einer der umstrittensten Punkte: Laut Kammer hätten die Spitäler des Gesundheitsverbundes (Wigev) im Ländervergleich einen sehr geringeren Sonderklasse-Anteil, weil dies politisch so gewünscht sei. Dies würde diesen Markt jedoch ausschließlich den Betreibern von Privatspitälern überlassen. Mit einem Ausbau der Sonderklasse könnte der Wigev hingegen zusätzliche Gelder einnehmen, was der allgemeinen Versorgung zugutekäme.
AKH neu aufstellen
Das AKH, das die MedUni Wien beherbergt, hat eine Sonderstellung unter den Gemeindespitälern. Das Pflegepersonal ist bei der Stadt, die Ärzte sind beim Bund beschäftigt. Hier fordert die Ärztekammer eine radikale Neuaufstellung: Das AKH soll ein eigenständiges Bundesspital werden, mit einem einheitlichen Arbeitgeber für alle Beschäftigten. Das Spital soll zu einem universitären Exzellenzzentrum umgebaut werden, das Regelversorgung nur in Ausnahmefällen übernimmt.
Modernes Management
Bei diesem Punkt geht es der Kammer unter anderem um die Abschaffung der im Wigev häufigen Teilzeit- und Doppelprimariate.
Gesundheitsplanung
In der Gestaltung des Wiener Gesundheitssystems beansprucht die Kammer mehr Einfluss für sich: Als gleichberechtigter Akteur will sie in die Landeszielsteuerung zugezogen werden.
Ferenci beklagte zuletzt, die Stadt zeige keinerlei Interesse an den Ideen der Kammer. Im Wigev will man das nicht gelten lassen: Laufend würden Gespräche stattfinden, betont eine Sprecherin. „Wir haben alle Verbesserungsvorschläge sorgsam aufgenommen.“

Stefan Ferenci
An der Umsetzung einzelner Punkte werde laufend gearbeitet. Die Maßnahmen umfassten unter anderem die Verdoppelung der Pflege-Ausbildungsplätze, einen Anwerbebonus von 1.000 Euro oder die Rückholung pensionierter Fachärzte. Bei den finanziellen Forderungen verweist man hingegen auf die Zuständigkeit der Sozialpartnerschaft.
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