Sie bewohnen derzeit nahezu alle Schaufenster und Supermärkte der Stadt: Stoff- und Schokohasen, die vom nahen Osterfest künden. Doch wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, hat sogar Chancen, einem „echten“ Osterhasen zu begegnen: Denn Wien ist tatsächlich einer jener Orte, „wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“, wie es der Zoologe Richard Zink formuliert.
Wer sich außer uns Menschen im Stadtgebiet noch so tummelt, wurde lange nicht dokumentiert. „2015 hat mich eine Dame angerufen, die sich sorgte, dass die Eichhörnchen in Wien aussterben. Da hat sich herausgestellt, dass wir kaum Informationen über die Arten vor unserer Haustür haben“, erzählt Zink.
So entstand die Idee für die Plattform „Stadtwildtiere“: Wer eines erspäht, kann dies hier eintragen – mittlerweile gibt es bereits an die 30.000 Meldungen. Wichtig sind Zeit und Ort. Wer möchte, kann auch eine Beschreibung samt Foto hinzufügen. Auf einer Wien-Karte zeigen kleine Symbole an, welches Tier wo gesichtet wurde.
Wo der Osterhase wohnt
Den Feldhasen trifft man zum Beispiel am ehesten auf Wiesen oder Feldern am Stadtrand, aber auch im Prater oder auf der Donauinsel. Der wäre mir fast ins Rad gehüpft, er saß am Rande des Gebüschs, postete etwa ein User über eine Begegnung im August 2020 auf der Donauinsel.
Feldhasen sind übrigens nicht zu verwechseln mit Wildkaninchen, betont Zink, der weiß, dass „alles Hasenartige oft über einen Kamm geschert wird“. Feldhasen sind größer, haben lange Ohren, graben Mulden und sind in der Regel Einzelgänger.
Gesellige Kaninchen
Wildkaninchen hingegen sind deutlich kleiner, haben kurze Ohren, sind gesellige Tiere und buddeln gerne Röhren unter der Erde.
In Wien kann man sie etwa in der Seestadt oder beim Handelskai in Richtung Donau beobachten: „Dort haben sie einen sandigen Boden, in dem sie gut ihre Höhlen graben können“, erklärt Zink. Neun Wildkaninchen, bis zur Brigittenauer Brücke verteilt, meldete etwa ein User am 19. März dieses Jahres.
Praktisch in ganz Wien unterwegs ist der Fuchs. „Das war eine unserer überraschenden Erkenntnisse: Ihn gibt es in jedem Bezirk der Stadt, ob im Garten einer Hietzinger Villa oder beim Stephansplatz“, sagt Zink. So schrieb ein User über einen Rotfuchs im ersten Bezirk: Er kam aus der Elisabethstraße und spazierte gemütlich über die Babenbergerstraße in den Garten des Kunsthistorischen Museums.
Das größte Raubtier der Stadt ist der Dachs: „Vom Körpervolumen her kommt er an einen mittelgroßen Hund heran“, beschreibt der Experte. Und Dachse sind wahre Profis im Graben: „Sie machen große Löcher, mit Vorliebe unter Terrassen oder Gartenhütten, denn dort fühlen sie sich sicher.“ Dabei können sie freilich Schaden anrichten: Betritt der Kleingartenbesitzer im Frühjahr seine Hütte, kann es schon passieren, dass der Boden wackelt.
Ein anderer Dachs hatte es sich unter der Tribüne eines Fußballplatzes gemütlich gemacht. Dort hatte er viele Fans – bis er anfing, auch unter dem Spielfeld zu graben, und dabei die teure Rasen-Bewässerungsanlage beschädigte.
Das Reh am Ring
Und es gab auch schon allerhand überraschende Sichtungen in der Stadt: Zum Beispiel ein Reh, das sich auf den Ring verirrt hatte. Oder einen Fischotter, der aus dem Donaukanal kam, und leider von einem Auto erfasst wurde. Oder Baby-Waldohreulen im Gemeindebau.
Jungtiere sind übrigens gerade jetzt im Frühjahr ein großes Thema. „Auch wenn man ein süßes, scheinbar hilfloses Individuum in der Gegend herumsitzen sieht, gilt: nicht angreifen, nicht mitnehmen“, betont Zink. Im Zweifel könne man sich etwa bei der Wildtierhilfe Wien (wildtierhilfe-wien.at) informieren oder das Wildtierservice der Stadt (01 / 4000-49090) kontaktieren. Außerdem solle man Wildtiere nicht füttern, fügt er hinzu. Die Ausnahme sind Singvögel, denen man im Winter Vogelfutter bereitstellen kann.
Aktuell posten übrigens rund 1.500 Menschen ihre Beobachtungen auf der Website, was schon viele spannende Erkenntnisse brachte. Unter anderem auch die gute Nachricht: Die Eichhörnchen sind nicht gefährdet.
Wer auch ein Wildtier erspäht und sich beteiligen möchte, ist jedenfalls hier richtig: www.stadtwildtiere.at
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