Angriffe auf Wiener Kirchen: Wenn das Allerheiligste nicht heilig ist
Weihnachten 2023 bleibt wohl für viele Gläubige in Wien unvergessen. Nicht, weil die „Ankunft des Heilands“ endlich wieder ganz ohne lästige Corona-Maßnahmen gefeiert werden konnte, sondern weil vor den Gotteshäusern Spezialeinheiten mit Maschinenpistolen aufmarschierten. Die Christmette unter Polizeischutz – und das mitten in Wien! Wer hätte je gedacht, dass Christen im Herzen Europas – wegen einer konkreten islamistischen Terrorbedrohung – eines derartigen Schutzes bedürfen, um ein Fest des Friedens und der Liebe zu begehen?
Palästinaflaggen auf der Votivkirche sorgten für Empörung.
„Herz der Gesellschaft“
Für Jan Ledóchowski, der mit seiner Meldestelle Christenschutz Angriffe auf Gläubige sammelt und so transparent macht, war und ist das alles kein Zufall: „Dass die Terrorgefahr ausgerechnet im Advent und gegen Christkindlmärkte gerichtet ist, ist eine besonders dramatische Form der Christenfeindlichkeit“, sagt er zum KURIER. Denn Islamisten ginge es darum, das „Herz unserer Gesellschaft“ anzugreifen. „Die großartige Idee der Menschenwürde stammt letztlich aus der Krippe von Bethlehem. Wer Weihnachten angreift, greift die Wurzel unserer Humanität an“, sagt Ledóchowski, dessen Verein unabhängig agiert, aber durch hohe katholische Kreise – etwa Wiens Weihbischof Franz Scharl – unterstützt wird.
Immer wieder müssen Kirchen sogar (kurzzeitig) gesperrt werden - wie hier die Kirche der Pfarre „Zum göttlichen Wort“ am Keplerplatz.
Kein Zufall war für Ledóchowski daher auch, dass ausgerechnet am ersten Adventwochenende zwei Palästinaflaggen auf den Türmen der Votivkirche gehisst wurden. Gläubige empfanden die Aktion als Provokation, als Fanal einer fortschreitenden Islamisierung, die Christen besonders bedroht. Das sieht auch der Experte so: „Im Kontext des politischen Islams geht die Symbolik der Fahnenhissung weit über ein Bekenntnis zu Palästina hinaus. Es ist ein islamistischer Herrschaftsanspruch, der architektonisch und spirituell den öffentlichen Raum besetzt.“ Hier warnt Ledóchowski, derartigen Aktionen mit „säkularer Gleichgültigkeit“ zu begegnen, denn: „Wir setzen als liberale Gesellschaft unsere Existenz aufs Spiel, wenn wir zulassen, dass diese christlichen Bezugspunkte überschrieben werden.“
Doch genau diesen Trend gäbe es in Mitteleuropa, ja auf der ganzen Welt: Während der Hass auf Christen und Attacken auf Kirchen zunähmen (siehe Info-Kasten), schwankten die Reaktionen oft zwischen Desinteresse und Empathielosigkeit. Auch in der medialen Berichterstattung würde über gezielte Attacken auf Christen beziehungsweise die globale Christenverfolgung insbesondere im muslimischen Raum oft hinweggesehen. „Ein Beweggrund, heuer die Meldestelle Christenschutz zu gründen, war genau diese scheinbare Gleichgültigkeit.“
Bombenattrappen in Kirche
Ein Beispiel für die These ist ein Vorfall von Anfang Oktober in der Karlskirche: Während eines Gottesdienstes von Abtreibungsgegnern wurden zwei als Bombenattrappen präparierte Handtaschen entdeckt, woraufhin die Spezialeinheit Cobra das Gotteshaus räumen musste. Doch die Apa berichtete – doppelt verharmlosend – nur von angeblichen „Bombenattrappen“. Ledóchowski sieht darin den schlimmsten Vorfall überhaupt heuer: „Das hätte eine Massenpanik unter den vielen Tausend Teilnehmern des Marsches fürs Leben auslösen können – darunter viele Familien. Das in Kauf zu nehmen, war eine neue Eskalationsstufe.“
Dass hier ganz offensichtlich linke Gruppierungen am Werk waren – nämlich die Antifa –, sei ebenso kein Zufall: Denn europaweit gingen christenfeindliche Attacken zu rund 40 Prozent auf das Konto des politischen Islam, auf Rang zwei folgten mit 20 Prozent bereits linksextreme Täter. Die Christenschutz-Meldestelle verzeichnete heuer in ganz Österreich 80 Vorfälle, wobei Ledóchowski von einer extrem hohen, 80-prozentigen Dunkelziffer ausgeht. Denn bloße Schmierereien („Der Islam wird siegen“ oder „Allahu Akbar“ zuletzt auf der Favoritner Antonskirche) würden meist gar nicht gemeldet. Auch werde religiös motiviertes Mobbing an Schulen, wo Christen in der Minderheit seien, nicht gezählt.
Aber wie kann man den Trend stoppen? Für Ledóchowski gehe das nur mit „öffentlichem Aufschrei“ und „sozialer Ächtung“: „Was für alle anderen Religionsgemeinschaften gilt, muss auch bei Christen konsequent geahndet werden.“
Antonskirche (10.)
Am 8. Juni ziehen Unbekannte eine Spur der Verwüstung (u. a. werden Gedenkkreuze zerstört). Im Jahr davor war die Fassade mit islamistischen Sprüchen verunziert worden.
Karlskirche (1.)
Im Mai werden die Informationstafeln mit radikal-islamischen Parolen beschmiert.
Am 12. Juni wird an der Balustrade ein Transparent mit dem Spruch „Die Hölle denen die dran glauben“ (sic!) angebracht.
Am 4. Oktober muss die volle Karlskirche bei einem Gottesdienst im Rahmen der Demo „Marsch fürs Leben“ geräumt werden, weil Bombenattrappen entdeckt werden.
ÖCV-Gedenkort (8.)
Die Stätte für christliche NS-Opfer des Cartellverbands (ÖCV)
wird am 18. September mit Anarcho-Symbolen beschmiert.
Gebetsgarten (21.)
Der Garten am Marchfeldkanal wird am 20. September geschändet.
Paulanerkirche (4.)
Am 24. September wird die Fassade mit roter Farbe bespritzt.
Votivkirche (9.)
Am 29. November werden zwei Palästinaflaggen auf den Türmen montiert und bleiben tagelang hängen.
Jesuitenkirche (1.)
Kunstwerke von Elias Franziskus Grüner werden am 13. Dezember zerstört.
In der Erzdiözese Wien relativiert man allerdings: Angriffe seien „gottseidank bisher kein großes Problem“, Vandalismus gebe es „seit Jahrzehnten in einem unspektakulären Ausmaß“: „Ein ansteigender Trend ist nicht zu erkennen“, erklärt Pressesprecher Michael Prüller.
In der Jesuitenkirche wurde eine Kunstinstallation von Elias Franziskus Grüner zerstört.
Obdachlose und Verwirrte
Denn meist seien Verwirrte oder Obdachlose für Vandalenakte – etwa Urin im Weihwasserkessel – verantwortlich. Die Flaggenaktion auf der Votivkirche sei laut Prüller auch nicht als „Angriff gegen die Kirche oder das Christentum“ zu werten, zudem sei der Schaden (20.000 Euro) „nicht mutwillig verursacht“ worden. „Angesichts der großen Zahl von rund 1.000 Kirchen in der Erzdiözese Wien, die meist in gut sichtbarer und auffälliger Position sowie zumeist offen und ungehindert betretbar sind, hält sich das Phänomen also sehr in engen Grenzen“, findet Prüller.
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