Warum das Briefmarkensammeln noch lange nicht abgestempelt ist

Warum das Briefmarkensammeln noch lange nicht abgestempelt ist
Erlebte die Philatelie vor 50 Jahren einen Boom, stirbt das Hobby zunehmend aus. Wie sich die Sammlerleidenschaft verändert hat.

Es gibt sie noch, die Briefmarkensammler. Auch wenn die Post bei diesem Hobby nicht mehr so abgeht wie früher. Konnten sich in den 1960er und 1970er-Jahren noch viele Kinder für Briefmarken begeistern, scheint dieses Hobby für die Generation eMail und Messenger eher die Ausnahme zu sein.

„Es ist leider so, dass sich die jüngere Generation nicht wirklich mit Briefmarken auseinandersetzt, auch wenn durch modernere und neue Briefmarken versucht wird, sie von der Philatelie, dem Briefmarkensammeln, begeistern zu können“, sagt Christine Steyrer, Briefmarkenhändlerin und Branchenexpertin der Wirtschaftskammer Wien. Das Durchschnittsalter der aktiven Philatelisten liege zwischen 70 und 80 Jahren. Bei Jüngeren zeige sich das Interesse laut Steyrer frühestens ab 40 Jahren.

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„Abgestempelt“ sei das Hobby aber dennoch nicht: „Die Zahl der Sammler ist zwar in den letzten Jahren zurückgegangen, die verbleibenden sind dafür ernsthafter und geben auch mehr Geld aus.“ In den österreichischen Auktionshäusern etwa wird von bis zu 6.000 ständigen Käufern ausgegangen. Bei Abonnenten der Post, die alle neu erscheinenden österreichischen Briefmarken erhalten, soll es sich um mehrere Zehntausend handeln.

Warum das Briefmarkensammeln noch lange nicht abgestempelt ist

Briefmarkensammeln galt besonders in den 1960ern und 1970ern als beliebtes Hobby.

Aufschwung in der Pandemie

Vor allem die Corona-Pandemie habe das Interesse am Briefmarkensammeln wieder aufleben lassen. „Die Menschen haben mehr Zeit gehabt, um sich mit den herumliegenden Briefmarkensammlungen von den Großeltern oder den Eltern zu beschäftigen“, erklärt Steyrer.

Laut der Briefmarkenhändlerin habe das Sammeln für viele Menschen etwas Entschleunigendes an sich und führe deswegen auch zum zunehmenden Interesse, wenn auch nicht so hoch wie früher.

Das Briefmarkensammeln hat sich im Lauf der Jahrzehnte stetig verändert. Neben dem traditionellen Sammeln und Kleben spielen heute auch andere Faktoren eine bedeutende Rolle: Die Geschichten der einzelnen Briefmarken, vor allem einzelne Motive oder historische Zeiträume, treten immer mehr in den Vordergrund. „Das sind kleine Kunstwerke, unverfälschte Zeitdokumente der Geschichte fremder Länder und Epochen“, sagt Horst Szaal, Gremialobmann des Kunst-, Antiquitäten- und Briefmarkenhandels in der Wirtschaftskammer Wien.

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Neuer Trend: Krypto-Briefmarken

Auch die Art des Tauschhandels ist nicht mehr dieselbe wie früher. Heutzutage findet ein großer Teil der Sammeltätigkeit online statt: von der Recherche, zum Kauf und Verkauf über diverse Webseiten bis hin zu Krypto-Briefmarken. „Für ältere Sammler ist das aber nichts“, betont Steyrer. Diese tendieren dazu, bei den insgesamt 46 aktiven Briefmarkenhändlern in Wien nach Schätzen zu stöbern oder an Treffen der rund 170 Sammlervereine in Österreich teilzunehmen.

Unverzichtbar für diese Generation der Sammler ist der farbbedruckte Sammelkatalog. Mit dessen Hilfe können die Philatelisten feststellen, wie hoch der Wert ihrer Briefmarken ist und welche für eine vollständige Sammlung noch fehlen. Eine vollständige Sammlung mag für den Philatelisten von hohem ideellem Wert sein, ist in den meisten Fällen aber vergleichsweise wenig wert.

Postfrische Marken aus den Jahren 1960 bis 2000 haben nur einen geringen Wert, gestempelte Marken haben keinen. „Bei normalen Marken aus der jüngeren Zeit sind Wertsteigerungen frühestens – wenn überhaupt – in der Enkelgeneration zu erwarten“, so Steyrer. In Wirklichkeit sind es Rechtschreibfehler oder falsche Farben, die den Wert einer Marke anheben. So etwa auch bei der 3-Kreuzer-Farbfehlerdruck-Marke aus dem Jahre 1870, die mit 150.000 Euro den höchsten Preis für eine Briefmarke in Österreich erzielte.

Philatelisten im Clinch mit der Post

Seit 1. September werden Priority-Briefe – Briefe, die meist gleich am nächsten Werktag beim Empfänger ankommen – nur noch vorfrankiert. Das bedeutet, dass der Prio-Brief nicht mehr mit herkömmlichen Briefmarken frankiert wird und zum Versenden in Postfilialen, bei Post Partnern, Landzustellern oder SB-Zonen aufgegeben werden muss. 
Eine Änderung, die bei den Briefmarkensammlern auf wenig Gegenliebe stößt. „Es geht uns in erster Linie um den damit verbundenen kulturellen Verlust“, betont Alfred Graf vom Briefmarkensammler Verein Favoriten. 

Zwar können anstelle des Prio-Briefs nun die günstigeren  Eco-Briefe frankiert und eingeschrieben werden, allerdings schränke dies den schnellen Austausch zwischen den Philatelisten weltweit ein. „Die Briefmarken werden am Weg ins Ausland oft gestohlen, weil sie eben schön und wertvoll sind“, behauptet Graf.  Dadurch, dass der Prio-Brief nun nicht mehr eingeschrieben wird, könne der Brief nicht nachverfolgt werden.

Seitens der Post können die Bedenken  der Briefmarkensammler nicht nachvollzogen werden: „Durch den Eco-Brief können frankierte Briefe weiterhin eingeschrieben werden, nur dauert es etwas länger“, sagt ein Sprecher der Österreichischen Post.  Außerdem biete die Post einen Sonderprozess für Briefmarkensammler an, die ihren Prio-Brief beim Sonderpostamt mit einer Briefmarke frankieren können.

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