Aufregung um kuriose Waffenverbotszone in Wiener Seniorenheimen
Was gibt es da zu lachen? Die Seniorin auf dem Symbolbild hat merklich Spaß am „Kampf“.
Wem jetzt Bilder von Ninja Turtles im Senioren-Outfit (ergraut und mit Spazierstöcken „bewaffnet“) oder gar die legendären Hell’s Grannies von Monty Python (also eine marodierende Oma-Gang) in den Sinn kommen, der liegt vielleicht gar nicht so falsch. Jedenfalls gedanklich nicht weit entfernt von den Verantwortlichen der „Häuser zum Leben“, die mit 30 Standorten in Wien Österreichs größter Anbieter von Seniorenbetreuung sind und ihren mitunter recht betagten Bewohnern offensichtlich doch so einiges zutrauen. Und daher – fernab von Reumannplatz und Praterstern – alle Heime zur expliziten Waffenverbotszone erklärt haben.
Eine langjährige Heimbewohnerin hat dem KURIER die seit 1. November geltende Hausordnung übermittelt, wo es unter Punkt 10 („Sicherheit“) wie folgt heißt: „Das Einbringen oder Verwahren von Waffen im Sinne des Waffengesetzes oder waffenähnlicher Gegenstände, die die körperliche Unversehrtheit eines Menschen bei einem Angriff gefährden können (...), ist strikt verboten.“
Ausdrücklich erwähnt werden außer den Schusswaffen noch „Schlagstöcke, Schwerter, diverse Messer wie Spring- oder Butterflymesser, Tränengaswaffen, Schreckschusspistolen, Elektroschockgeräte und fernöstliche Nahkampfgeräte“.
Als dann unlängst diese neue Hausordnung den Bewohnern recht detailreich auf einer Versammlung erklärt wurde, schwankten die Senioren zwischen Gelächter und Irritation. „Eine hat sofort gefragt: ,Aber meine Nordic-Walking-Stöcke darf ich schon noch behalten?‘“, erzählt die Bewohnerin.
Ja, sie darf. Aber wie ist es dann mit Küchenmessern – schließlich verfügen die Wohneinheiten über eine Kochnische und damit auch automatisch über an sich ja verbotene „diverse Messer“? Was ist mit dem Taschenfeitel für unterwegs, um den Apfel aufzuschneiden? Und wenn man den offenbar sehr rüstigen Bewohnern zutraut, wie Ninjas und Shaolin mit „fernöstlichen Nahkampfgeräten“ (das sind per Definition Schlagstöcke, Spieße und Samuraischwerter) herumzuhantieren, müsste man ihnen dann nicht auch Gehstöcke und Krücken abnehmen?
Man merkt, es ist recht dünnes Eis, auf das sich die „Häuser zum Leben“ da begeben. Erst recht, wo es auch gar keinen Grund für einen solchen Verbotskanon gibt. „70 Prozent von uns haben Rollator – und etwa die Hälfte ist schon dement“, erzählt die Bewohnerin.
„Anders formulieren“
Einen echten Anlassfall für die neu formulierte Hausordnung kann auch die Pressestelle der „Häuser zum Leben“ nicht nennen. Und ein bisschen Asche streut man auch aufs Haupt, weil man vielleicht doch übers Ziel hinausgeschossen ist: „Wir werden prüfen, ob einzelne Begriffe künftig anders bzw. verständlicher formuliert werden können, um Missverständnisse zu vermeiden.“
Prinzipiell gelte aber, dass „Waffen – egal welcher Art – in unseren Einrichtungen nichts verloren haben“: „Unsere Formulierungen orientieren sich an den geltenden gesetzlichen Definitionen, insbesondere dem österreichischen Waffengesetz.“ Daher dürfen die Bewohner „selbstverständlich weiterhin die gesetzlich erlaubten Alltagsgegenstände mitführen“.
Ganz so selbstverständlich ist die Materie aber auch wieder nicht: Denn spitze Alltagsgegenstände wie Nagelfeilen werden etwa von der Polizei in der Waffenverbotszone Reumannplatz abgenommen – weil sehr wohl als „gefährlich“ eingestuft.
Wie am besten schützen?
Ganz generell stellt sich die Frage, wie sich Senioren in der Öffentlichkeit vor Angriffen schützen sollen. Experten empfehlen ohnedies seit jeher, von Elektroschockern, Pfeffersprays oder gar „Nahkampfgeräten“ Abstand zu nehmen – Senior hin oder her. Stattdessen sollte man sich immer lautstark bemerkbar machen. Und wenn möglich, den Rat von Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec beherzigen: „Seien Sie wachsam und scheuen Sie nicht davor zurück, die Polizei zu rufen, wenn Sie sich unsicher fühlen.“
Kommentare