Vor Türkei-Wahl: Geheimdienst warnt vor türkischen Spionen in Österreich
Es ist Routine und Premiere zugleich, was heute um 10 Uhr im Innenministerium in Wien passiert.
Die eingeübte Routine: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und der Direktor des Verfassungsschutzes Omar Haijawi-Pirchner treten vor die Öffentlichkeit, um den Verfassungsschutzbericht für das abgelaufene Jahr zu präsentieren.
Die Premiere: Zum ersten Mal wird dabei die neu gegründeten Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) - der Nachfolger des skandalgebeutelten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – ihre Ergebnisse aus dem ersten Jahr seit der Gründung am 1. Dezember 2021 publik machen.
Statement von Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz
117 Seiten starker Bericht
Auf 117 Seiten wird erklärt, wie es um die Gesamtsicherheitslage Österreichs steht. Zusammengefasst: Das Risiko rechtsextremer Taten ist hoch, Linksextreme nutzen Klima-Proteste als Nährboden ihrer Ideologie und die Terrorgefahr in Österreich ist nach wie vor gegeben. Bei allen Punkten, wird dabei der Einfluss des Ukraine-Kriegs berücksichtigt. Innenminister Karner betonte in der Pressekonferenz: "Radikale Klimaaktivisten stehen selbstverständlich unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes."
Richtig spannend wird es jedoch auf den letzten Seiten des Berichts. Diese beschäftigen sich zwei Tage vor der Türkei-Wahl mit der „Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei 2023 und deren mögliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Österreich“. Zur Erinnerung: Noch nie haben in Österreich so viele Auslandstürken vor einer Wahl ihre Stimme abgegeben. Konkret: 56,71 Prozent.
Statement von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)
Zentrale Erkenntnisse der Verfassungsschützer vor diesen Entwicklungen: Türkeistämmige und türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Österreich unterliegen grundsätzlich einem erhöhten Risiko der Instrumentalisierung oder Aufklärung – je nach politischer Verortung – durch einen ausländischen Nachrichtendienst.
DSN-Direktor Haijawi-Pirchner ging in der Pressekonferenz wie folgt auf das Kapitel ein: "Wir haben auch im Jahr 2022 gezielte Spionageaktivitäten wahrgenommen. Besonders aus Russland, China, dem Iran und der Türkei."
Österreich: Nährboden für Spione
Dass Österreich ein Nährboden für Spione vieler Länder ist, weiß man. Die Gründe sind bekannt: Die zentrale Lage, die Niederlassung internationaler Organisationen, die gute wirtschaftliche Situation und zugleich die schlechte rechtliche Lage sind hierfür die Hauptgründe.
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Dass nun bewusst, vor der Türkei-Wahl vor türkischen Spionen gewarnt wird, lässt dennoch aufhorchen.
Wie die Türken dabei vorgehen könnten, bleibt unbeanwortet. Eine Antwort darauf, findet sich aber wohl im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2021. Darin wurden unter anderem Vertretungen der Länder, darunter neben Botschaften und Konsulaten auch Vereine, Kulturzentren oder Fluggesellschaften, von der DSN als Deckmantel für die Spionagetätigkeit ausländischer Nachrichtendienste genannt.
Diplomatenstatus
Die Spione selbst sind schwer zu schnappen. Was auch daran liegt, dass sie Diplomatenstatus genießen und somit strafrechtlich nicht verfolgt werden können. Und daran, dass den heimischen Behörden nach wie vor die notwendigen rechtlichen Mittel fehlen.
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Cyberangriff
Gewarnt wird in dem aktuellen Bericht der Staatsschützer auch vor der Einflussnahme türkischer Akteure auf deren Diaspora in Österreich im Zusammenhang mit der Wahl in der Türkei 2023 unter dem Einsatz von Cybermitteln. In welchem Ausmaß Cyberkriminelle aktiv werden könnten, wird nicht näher erläutert. Cyberangriffe könnten aber von DDoS-Attacken auf Internetanbindung einzelner Unternehmen und Organisationen abzielen und bis hin zu spezieller Schadsoftware zum Zerstören von Daten reichen.
Systemgegner werden als Botschaft an Österreich verhaftet
Unmittelbarer stellt sich die Gefahr allerdings in speziellen türkischen Messenger-Diensten dar. Hie dürften türkische Geheimdienste mitlesen und ganz bewusst politische Gegner in Österreich beobachten. Erfolgt eine Einreise dieser Dissidenten in die Türkei, werden sie verhaftet und bedroht. Eine klare Botschaft an alle Gegner der Türkei in Österreich.
DSN-Chef Haijawi-Pirchner betonte nochmals: „Es geht bei Spionagen, egal von welchem Akteur, einerseits um die Beeinflussung der bestehenden Diaspora, Wirtschaftsspionage, aber auch um Wissenschaftsspionage. Es ist nebensächlich, aus welchem Land der Geheimdienst dabei auftritt.“
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