Von der Telefonzelle zur Kunstzelle: Mit Hut und Suppe

Seit Jänner 2023 trägt die Kunstzelle einen großen Hut.
Seit mehr als 15 Jahren gibt es den wohl kleinsten Ausstellungsraum Wiens: die Kunstzelle. Eine alte Telefonzelle, die früher im WUK stand und bisher von mehr als 70 nationalen und internationalen Künstler genützt wurde, bietet Raum für freie Gestaltung.

Die Kunstzelle wurde schon einmal in einen Pool verwandelt
Die Zelle wurde bereits als Pool (siehe Foto) oder Karaoke-Box verwendet. Einmal wurde sie mit Schaumstoff gefüllt, ein anderes Mal in einen Kleiderständer verwandelt, dann wiederum mit Ballons vollgestopft. Alle zwei Monate wechselt die Ausstellung.
Ende der Telefonzelle
Es könnte bald mehr Kunstzellen geben, denn Telefonzellen sterben aus: Der Bedarf ist im Laufe der Jahre aufgrund der hohen Mobilfunkdichte immer stärker zurückgegangen.
Es war das Jahr 1903, als die erste Telefonzelle am Südbahnhof aufgebaut wurde. Nach ihrem rasanten Aufstieg und schleichenden Niedergang fiel schließlich Ende 2021 die sogenannte Universaldienstverordnung: Das Telekom-Unternehmen A1 war bis dahin verpflichtet, in jeder Gemeinde mindestens eine Telefonzelle zu betreiben. Laut A1 befinden sich in Wien derzeit noch 1.767 Telefonzellen, österreichweit sind es 7.762.
Vielseitige Nutzung
Rund 50 Kauf-Anfragen von Privatpersonen erreichen das Unternehmen jährlich, andere Zellen werden eben auch für Kunstprojekte genützt, heißt es dazu von A1. Manche Telefonzellen wurden wiederum zu Defibrillator-Standorten umgebaut und können so zu Lebensrettern werden. Drei Telefonzellen im 7. Bezirk wurden mit besonderen begrünten Dächern ausgestattet. Hinzu kommt die Nutzung als Bücherzelle oder Paketstation.
Andere alte Telefonzellen wurden bereits zu Stromtankstellen umfunktioniert. Seit 2010 entstanden so in ganz Österreich mehr als 40 Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge, in Wien gibt es fünf solcher Stromtankstellen. Wann und wie viele der noch bestehenden Telefonzellen abgebaut werden, sei aber, laut A1 noch nicht entschieden.

Christine Baumann und Pablo Chiereghin kuratieren die Zelle
Seit 2021 steht die Kunstzelle aus dem WUK vor dem Eingang des Museumsquartiers und dient in ihrer neuesten Funktion als Ort für Diskurs zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“. „Während der Sanierungsarbeiten im WUK ist die Kunstzelle Gast im MQ“, sagt Pablo Chiereghin. Der Künstler hat erst unlängst mit seinen „Mir fehlt das Meer“-Plakaten wienweit für Aufsehen gesorgt. Er kuratiert die kleine Zelle gemeinsam mit deren Erfinderin Christine Baumann.
Essen, Kunst, Debatte
In der aktuellen Installation, die noch bis 18. März zu sehen ist, geht es um Kunst, die sich mit gemeinschaftlichem Essen und Kochen beschäftigt. Dazu trägt die Kunstzelle eine Skulptur der Künstlerin Julia Haugeneder als Hut und ist Schauplatz für das Format „Hut und Suppe“. Haugeneder ist für ihre besondere Falttechnik in der Kunstszene bekannt. Das Format „Hut und Suppe“ gestaltet sie gemeinsam mit Simon Nagy.
Künstler und Künstlerinnen kochen einen großen Eintopf und laden zum Essen ein. Die Gespräche drehen sich um Interventionen im öffentlichen Raum, um Verschränkungen von sozialer Praxis und künstlerischen Strategien. Alle sind eingeladen mitzuessen. Dabei kann man mit den Künstlern über ihre Arbeit sprechen, es kann aber auch einfach gelöffelt und gelauscht werden.
Zum Programm: Am 25. Februar mit Caldo von Laia Fabre, am 4. März mit Borschtsch von Tomash Schoiswohl, beides startet um 18 Uhr. Infos gibt es hier.
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