Terrorprozess in Wien: Freispruch für angeblichen IS-Kämpfer

(Symbolbild)
Soll sich als 18-Jähriger in Syrien der Terrormiliz angeschlossen haben. Beweislage für Gericht nicht ausreichend. Urteil nicht rechtskräftig.

Ein mittlerweile 22-Jähriger ist am Dienstag am Wiener Landesgericht mangels Beweisen vom Vorwurf freigesprochen worden, im Juni 2014 illegal nach Syrien gereist zu sein und sich dort als Kämpfer für die radikalislamistische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) betätigt zu haben. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Die Anklage hatte im Wesentlichen auf Informationen des US-Geheimdiensts FBI gefußt. Dem Gericht reichte die Beweislage allerdings nicht aus, um mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit mit einem Schuldspruch vorzugehen.

Im März 2016 erhielten zahlreiche europäische Abwehrdienste - darunter auch das heimische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ( BVT) - brisante Unterlagen. Dem FBI war es gelungen, in den Besitz von aus dem damaligen IS-Territorium stammenden Registraturblättern der Terrormiliz zu kommen. 5.185 Datensätze betrafen junge Europäer, die sich in Syrien oder im Irak dem IS angeschlossen hatten. Bei der Auswertung der handschriftlich auf Arabisch verfassten Tabellen, die das FBI den europäischen Partner-Behörden übermittelte, wurde 25 Personen ein Österreich-Bezug zugeordnet. Sieben von ihnen konnten schließlich vom BVT identifiziert werden. Einer aus dieser Gruppe sei der Angeklagte, zeigte sich Staatsanwältin Kristina Jahn überzeugt.

Der gebürtige Tschetschene, dessen Eltern seinerzeit nach Österreich geflüchtet waren, stellte das in Abrede. Er räumte ein, knapp nach seinem 18. Geburtstag nach Istanbul gereist zu sein - allerdings nicht in terroristischer Absicht. Er habe mit dem IS nichts am Hut, sondern in der Türkei ein Mädchen besucht, in das er sich übers Internet verliebt hätte.

Die Staatsanwältin schenkte dem keinen Glauben. Die Reise sei ins IS-Gebiet weitergegangen. Die dem BVT überlassenen Unterlagen seien "authentisch", der Angeklagte sei vom IS als Kämpfer gekennzeichnet worden, verwies sie auf die geheimdienstlichen Informationen. "Was er genau dort gemacht hat, wissen wir natürlich nicht", hielt die Anklägerin fest. Allein mit der psychischen Unterstützung des IS sei allerdings ein Tatbeitrag zur terroristischen Vereinigung erfüllt.

Datensatz mit Ungereimtheiten

Der laut Anklage den 22-Jährigen betreffende Datensatz wies allerdings einige Unschärfen auf, wie Verteidiger Florian Kreiner betonte. Zwar wurde in dem Eintrag das korrekte Geburtsdatum des jungen Mannes vermerkt, der Familienname jedoch fehlerhaft festgehalten. Die Staatsanwältin sprach von einem "Schreibfehler", ein als Zeuge geladener BVT-Beamter von einer "phonetisch zuordenbaren Schreibweise". Beides ließ Kreiner nicht gelten, der überdies darauf hinwies, dass der auf dem Datenblatt obendrein vermerkte Name der Mutter "völlig falsch" wiedergegeben sei: "Sie heißt nicht Maria."

Der Angeklagte versicherte, er hätte in der Türkei ein ein bis zwei Jahre jüngeres Mädchen besucht, mit dem er sich zuvor über Facebook angefreundet hatte. Visum habe er keines bekommen, daher habe er sich von einem Bekannten in die Türkei chauffieren lassen: "Ich habe sie geliebt. Es war was Ernstes." Seinen Eltern habe er nichts gesagt und sei heimlich aufgebrochen, weil diese mit seinen Plänen nicht einverstanden gewesen wären.

Viel mehr als den Vornamen der angeblichen Geliebten konnte er auf Befragen des Gerichts aber nicht angeben. Weder wusste er ihren Familiennamen noch ihre Adresse, wo er mehrere Wochen gelebt haben will. Auch ihr Facebook-Profil habe er "vergessen", gab er zu Protokoll: "Das ist vier Jahre her." Er habe das Mädchen dazu überreden wollen, mit ihm nach Österreich zu gehen. Als sie das ablehnte, habe er seinen Vater angerufen, sich über Western Union Geld schicken lassen und sei mit dem Flugzeug nach Wien zurückgekehrt.

Dass der nachweislich am 27. Juli 2014 erfolgte Rückflug so einfach zu bewerkstelligen war, war für den Verteidiger ein weiterer Beweis, dass sich sein Mandant niemals auf IS-Gebiet befunden hatte. "Der Mann, der unser Angeklagter sein soll, hat den FBI-Informationen zufolge beim IS den Reisepass und sein Handy abgeben müssen", gab Kreiner zu bedenken. Sein Mandant sei aber mit Pass und Smartphone in Wien gelandet: "Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass man ihm beides gegeben hätte, wenn er nach wenigen Wochen wieder den IS verlassen hätte."

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