Erweiterter Stadtsenat und Reform der Mindestsicherung: Das plant Rot-Pink in Wien

Zusammenfassung
- SPÖ und Neos stellen in Wien neuen Koalitionspakt mit Fokus auf Arbeit und Wirtschaft vor.
- Die Anzahl der Regierungsmitglieder bleibt gleich, aber der Stadtsenat wird auf 13 Mitglieder erweitert.
- Wien will bis 2040 klimaneutral werden und plant strukturelle Reformen trotz angespannter Budgetsituation.
SPÖ und Neos haben heute ihren Koalitionspakt für die künftige Wiener Stadtregierung vorgestellt. SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und Neos-Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling haben gemeinsam die Inhalte, auf die man sich in den seit Anfang Mai dauernden Verhandlungen geeinigt hat, präsentiert.
Großes Augenmerk wird auf das Thema Arbeit und Wirtschaft – konkret auf Arbeitsmarkt, Digitalisierung und Internationalität – und den Ausbau jener Stärken gelegt, für die Wien bekannt ist, etwa als Forschungs- und Kongressstandort. Die Mindestsicherung soll reformiert, die Innenstadt verkehrsberuhigt werden. Deutsch wird zur obersten Prämisse in allen Bildungseinrichtungen.
SPÖ und Neos haben ein 191-seitiges Regierungsprogramm verfasst. Bis 2030 will man damit Herausforderungen der Zukunft annehmen, sagt Ludwig und betont, dass SPÖ mit Neos auch in der vergangene Regierung (namentlich von SPÖ und Neos "Fortschrittsregierung" genannt) sehr gut zusammengearbeitet habe. Nun will man sich in den kommenden fünf Jahren mit den Neos in einer "Aufschwungskoalition" aufstellen. "Wien soll lebenswert, leistbar und klimafit sein", sagt Ludwig. Außerdem sollen Innovationen vorangetrieben werden.
Allerdings stehe das neue Regierungsprogramm auch unter dem Gesichtspunkt der angespannten Budgetsituation. Es werden strukturelle Reformen notwendig, heißt es im Programm und von Vize-Bürgermeisterin Emmerling. Wien werde einen Beitrag zur Konsolidierung leisten, "konkrete Maßnahmen stehen aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest", sagt Emmerling.
Der Stadtsenat wird erweitert
Weil die Anzahl der Regierungsmitglieder im Vergleich zu vergangenen Legislaturperiode gleich bleiben soll, wird der Stadtsenat um einen weiteren Posten auf 13 Mitglieder erweitert, bestätigt Bürgermeister Ludwig auf Nachfrage.
Damit gibt es künftig in der Bundeshauptstadt einen Stadtrat mehr. Hätte man nämlich die aktuelle Gesamtzahl beibehalten, müsste die SPÖ einen Sitz abgeben. Die SPÖ stellt nun - wie bisher - sechs Regierungsmitglieder, die NEOS eines. Die restlichen sechs - "nicht amtsführenden" - Stadträte teilen sich auf die Oppositionsparteien FPÖ (3), Grüne (2) und ÖVP (1) auf. Wer die Posten für die SPÖ bekleiden wird, wurde vorerst nicht öffentlich gemacht.
Bei der Präsentation des Programms wurden von Ludwig nur exemplarisch Punkte vorgestellt, etwa:
- Wirtschaft: Wie das Ausbildungsgeld für Pflegeberufe in der vergangenen Regierung soll es nun weiter Finanzierungen, etwa für den Waff geben.
- Wiener Grätzel: Eine digitale Leerstanddatenbank soll umgesetzt werden. Damit soll die Standortpolitik für den stationären Handel unterstützt werden. Für Forschung und Industrie sollen Gewerbestandorte durch die Stadt angeboten werden.
- Innovation: Wien will den Zuschlag für eine Gigafactory der EU. Das ist ein Mega-Rechencenter. Die Stadt Wien möchte sich gemeinsam mit Unternehmen zu einem Konsortium zusammenschließen. Wien hätte dafür gute Rahmenbedingungen - etwa Grundstücke in der Seestadt Aspern und Alternative Energieformen in Kooperation mit der OMV, die weiter ausgebaut werden sollen.
- ESC und Kongressstandort: Wien soll weiter attraktiv als Kongressstandort bleiben. Außerdem will Wien sich um die Austragung des ESC bewerben. Ludwig habe gestern die notwendigen Unterlagen erhalten.
- Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) soll im Otto Wagner Areal angesiedelt werden.
- Klima: Erneuerbare Energien sollen weiter ausgebaut werden und Ludwig bleibt dabei, dass Wien bis 2040 klimaneutral werden soll. Die Innenstadt soll verkehrsberuhigt werden: Im Zuge der Umstellung will man das Citybus-Konzept adaptieren. Die Fahrradmitnahme in Straßenbahnen und Bussen soll geprüft werden. Darüber hinaus will man autonom fahrende Kleinbusse und Shuttles einsetzen. Und: Die Ringstraße soll umgebaut werden – mit Fokus auf Fußgänger und Radfahrer.
Ludwig übergibt das Wort an Emmerling. Auch Emmerling betont zu Beginn, dass es ein gutes gegenseitiges Vertrauen gebe.
- Reform bei Mindestsicherung: Menschen sollen so schnell wie möglich in die Arbeitswelt. Treffsicherheit soll nun evaluiert werden und auch eine entsprechende Reform soll folgen - das gelte insbesondere für in Wohngemeinschaften lebende Menschen als auch für Familien mit vielen Kindern. Dabei sollen auch die Wechselwirkungen zu Leistungen des Bundes wie Familienbeihilfe, Familienbonus Plus und Leistungen nach dem Unterhaltsrecht untersucht werden. Gleichzeitig wird versichert, gegen Kinderarmut eintreten zu wollen und hier für entsprechende Maßnahmen zu sorgen. Unterstützung soll es auch für die Bestrebung geben, die Sozialhilfe und die Mindestsicherung bundeseinheitlich weiter zu entwickeln.
- Integration: SPÖ und Neos wollen einen „Integrationskodex“ ausarbeiten, der die Prinzipien des Zusammenlebens festlegt. „Integration“, heißt es in dem Papier, „muss auch eingefordert werden“.
- Jugendliche Intensivtäter: Auch dem Kampf gegen Kinder- und Jugendkriminalität will sich die künftige Stadtregierung annehmen. Dafür sollen "Orientierungshelfer" für diese Jugendlichen eingesetzt werden. Als "Ultima Ratio" sieht man eine "geschlossene sozialpädagogische Einrichtung außerhalb Wiens für strafunmündige Intensivtäter" als erforderlich an. Die dafür rechtlichen Rahmenbedingungen müssen freilich auf Bundesebene geschaffen werden.
- Gesundheit: Im Bereich Gesundheit sollen ambulante Angebote und regionale Gesundheitszentren ausgebaut sowie Erstversorgungsambulanzen evaluiert und entwickelt werden. Zudem soll die digitale Transformation im Gesundheitswesen fortgesetzt und die Telemedizin weiterentwickelt werden, mit der "Gesundheitsberatung 1450" als zentraler Anlaufstelle und "Wien gesund" als digitalem Einstiegsort in das Gesundheitssystem. Ferner sollen Maßnahmen für die Gesundheitsförderung und Vorsorge ausgebaut werden.
- Bildung: Ausbau des Unterstützungspersonals, School Nurses und Schulsozialarbeit sollen weitergeführt und ausebaut werden. In der vergangenen Legislaturperiode wurden die Assistenzstunden erhöht, nun soll ein neuer Schlüssel mittels Chancen-Index Unterstützung an jene Kindergärten verteilen, die Unterstützung dringend brauchen.
Alle Bildungseinrichtungen müssen Deutsch zur obersten Priorität machen. Ziel: Zahl der Außerordentlichen Schüler und Schülerinnen soll reduziert werden. Die Sommerschule wird zum verpflichtenden Angebot für außerordentliche Schüler. Die Sommerdeutschkurse sollen angepasst, die Initiative „Mama lernt Deutsch“ soll weiterentwickelt werden.
- Pflege und Soziales: Im Bereich der Pflege soll an der "Pflegestrategie 2030" festgehalten und die Angebote nachhaltig verbessert werden. Auch will man die Barrieren zwischen dem Gesundheits- und dem Sozialsystem überwinden. Der Fonds Soziales Wien soll weiter die zentrale Anlaufstelle für Betroffene bieten. Und mit dem Programm "Pflege.Zukunft.Wien" will man weiter langfristig den Personalbedarf in diesem Bereich sichern.
Personelles will die SPÖ dann am Mittwoch bekannt geben. Allerdings hat Ludwig bei der Präsentation gesagt, dass die Anzahl der Regierungsmitglieder gleich bleiben werden.
Zunächst müssen nämlich die Gremien der Koalitionsparteien dem Pakt zustimmen. Die Sozialdemokraten machen das am Mittwoch. Im Anschluss an die Gremien-Sitzungen wird Ludwig dann das SPÖ-Regierungsteam vorstellen. Am Samstag folgen die Neos, die bei einer Landesmitgliederversammlung über die neue Wiener Stadtregierung abstimmen.
Die Konsolidierung für die neue Regierung ist für 10. Juni anberaumt worden.
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