Politik mit Kettensäge, Flex und Spaten: Was hinter dem Trend zum Bodenständigen steckt

Javier Milei machte die Kettensäge als politisches Stilmittel salonfähig.
Der Polit-Aktionismus mit groben Arbeitsgeräten ist jetzt auch nach Wien gekommen. Über neue, alte Männlichkeitsbilder und „Pfuscher“ am Rednerpult.

Schrotflinten, Maschinengewehre und großkalibrige Revolver: Auf der Leinwand hat sich der Terminator den Weg mit einem breiten Arsenal an Feuerwaffen freigeschossen. Der „echte“ Terminator Arnold Schwarzenegger hat indes seinen Politerfolg als Gouverneur einem simplen Haushaltsutensil zu verdanken, das so gar nicht zum stahlharten Muskelmann passte – einem Besen. „Bring me the broom!“, schrie die steirische Eiche anno 2003 auf seinen Wahlkampfveranstaltungen und erzeugte damit simple, ja geradezu ikonische Bilder: Im Haushalt des hochverschuldeten Kalifornien gehört dringend aufgeräumt!

Lange bevor Facebook, Instagram und Tiktok über die Erde kamen, gelang Schwarzenegger mit dieser bodenständigen Botschaft der Coup: Der Besen fegte den demokratischen Gouverneur aus dem Amt und Schwarzenegger auf den prestigeträchtigen Posten in Sacramento.

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Mit dem Besen zum Gouverneur von Kalifornien: Arnold Schwarzenegger anno 2003.

Grobe Schnitte statt Feile

20 Jahre später nutzte in Argentinien ein gewisser Javier Milei die Macht der Bilder in den Sozialen Medien, um sich scharfkantig in den Präsidentensessel zu rotieren: Die Kettensäge wurde zu seinem – mittlerweile weltweit bekannten – Markenzeichen. Auch hier ein Narrativ mit simpler Botschaft: Der heruntergewirtschaftete Staat hat die ganz groben Schnitte nötig und nicht etwa die feine Feile. Der Auftritt mit dem rasselnden „Fichtenmoped“ wurde nunmehr schon oftmals kopiert – sogar von Multi-Milliardär Elon Musk, von dem man ja annehmen dürfte, für derlei gefährliche Baumschnitt-Arbeiten könne er sich geschultes Personal leisten.

Mittlerweile ist der Trend zum politischen Handwerkertum (mit einer Prise Humor) auch nach Wien gekommen und wird hier ganz unterschiedlich interpretiert: Zunächst baute die Wiener ÖVP ihrem neuen Obmann Markus Figl am Parteitag gleich eine ganze Baustellenkulisse neben dem Rednerpult auf – mit Mischmaschine, Scheibtruhe und Ziegeln. Am Ende griff Figl, als City-Bezirksvorsteher nicht unbedingt unter die „Hackler“ einzuordnen, selber zur Schaufel und verkündete den „Spatenstich für Wien“.

LANDESPARTEITAG ÖVP WIEN: FIGL

Markus Figl schwingt auf der Polit-Bühne den Spaten – auch die VP ist eine Baustelle.

Mit der Flex gegen Airbnb

Nicht bloß symbolisch, sondern richtig handwerklich zugepackt hat dann wenige Tage später Neubaus grüner Bezirksvorsteher Markus Reiter: Mit der Flex wurde funkensprühend ein im Park angekettete Schlüsselbox für eine Airbnb-Wohnung entfernt. Sukkus: Hier tut ein Politiker etwas gegen die grassierende Kurzzeitvermietung (auch, wenn er dafür gar nicht zuständig ist). Nicht auszudenken, wenn der Sozialökonom mit dem Winkelschleifer abgerutscht wäre und sich verletzt hätte.

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Markus Reiter: Neubaus Bezirkschef mit der Flex gegen Airbnb.

Der Fall zeigt, dass diese politmediale Inszenierung von rechts bis nach links reicht und alle vom Handwerksfieber erfasst werden können. Und zeigt, dass die Grünen zwar einst (1986) den Aktionismus ins Parlament gebracht haben, aber mit Häkeln und Stillen heute nicht mehr weit kommen. Zur Meisterschaft entwickelt hat dieses Genre später ohnehin Jörg Haider, der 2006 sogar eigenhändig eine Kärntner Ortstafel ausbuddelte, um sie ein paar Meter weiter wieder einzugraben (und so die Zweisprachigkeit zu vereiteln).

LH HAIDER VERSETZT ORTSTAFEL VON BLEIBURG

Jörg Haider, der Meister der Inszenierung: 2006 buddelte er Kärntner Ortstafeln aus.

Doch auch den roten Machthabern ist die Verhaberung mit der schwerarbeitenden Basis alles andere denn fremd: Michael Ludwig warf sich 2020 in die orange Schale der MA 48 und entleerte tatsächlich einige Coloniakübel. Das Internet johlte vor Freude – während es Jahre davor den roten Kurzzeit-Kanzler Christian Kern mit Häme übergoss, als der den Pizzaboten mimte.

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Der Rote in der orangen Schale: Michael Ludwig als Aushilfskraft bei der Müllabfuhr.

Was beweist, dass solche Inszenierungen auch schiefgehen können. Das weiß auch Politberater Thomas Hofer, der den legendären Hochwasser-Gummistiefelauftritt von Ex-Kanzler Viktor Klima in dieselbe Kategorie einreiht: „Bei ihm war es nicht ok, bei Landhauptmann Pröll fast zeitgleich aber schon.“

„Männerbild als Macher“

Doch was wollen uns derart handgreifliche Politiker sagen in einem Zeitalter, in dem es immer weniger echte Handwerker gibt und der Wähler den Eindruck hat, an der Staatsspitze würden eher „Pfuscher“ fuhrwerken? Für Kommunikationsexpertin Tatjana Lackner ist die Symbolik dabei ganz klar: „Anpacken statt herumlabern: Ich bin bodenständig und – was für die Österreicher wichtig ist – auch praktisch veranlagt.“ Zudem spiele das „Männerbild als Macher“ eine Rolle; ebenso, dass das goldene Handwerk aufgrund des Fachkräftemangels wieder mehr Bedeutung habe. „Auf Social Media muss die Geschichte in kurzer Zeit rüberkommen – und das geht mit Flex und Bohrer superschnell“, sagt Lackner.

„Wollen sich volksnah präsentieren“

Auch für Hofer ist das Motiv äußerst durchsichtig: „Alle politischen Parteien kriegen mit, dass sie als abgehoben gelten und wollen sich damit wieder volksnah präsentieren.“ Daher tragen all diese Aktionen auch ein Körnchen Populismus in sich, weil sich Machthaber vom (eigenen) Establishment distanzieren wollen, „um quasi zu den echten Leuten zu wechseln“. Daher zweifelt Hofer auch, dass die Handwerksshow wirklich funktioniert. Auch Lackner glaubt, dass sich insbesondere die junge Wählerschaft von derlei Machogehabe wenig beeindrucken lasse, und rät Politikern, wieder zu ihrem eigentlichen Handwerk zurückzukehren: „Es wäre doch besser, sie würden sprachlich aufrüsten. Denn von einem ,Berufssprecher‘ sollte man ja erwarten, dass er mit seiner Zunge besser umgehen kann als mit der Flex.“

Somit können wir nur hoffen, dass nicht weiteres Handwerkzeugs aus den Spindoctor-Laboren auskommt: Wie etwa die Schere (dem Staat „alte Zöpfe“ abschneiden), die Rohrzange (mehr „Liquidität“) oder die Mistgabel (um den „Saustall“ auszumisten).

Politik mit dem Hämmerchen

Lieber sei an den Philosophen Friedrich Nietzsche erinnert, der ja „mit dem Hammer philosophiert“. Doch es ist nicht der riesige Vorschlaghammer, der alles zertrümmert, sondern das kleine Hämmerchen, um auszuhorchen und den hohlen Ton zu hören. Auf diesen Politikerschlag, der auch die eigenen hohlen Phrasen und Taten erkennt, warten wir vergeblich.

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