Eine junge Frau spaziert am Spielplatz am Keplerplatz mit ihrem Kind vorbei, ein Paar sitzt auf einer Parkbank vor der Johanneskirche und genießt die Sonne.
Nur ein Schild lässt an diesem frühlingshaften Montagmorgen erahnen, dass der Keplerplatz bis vor wenigen Monaten noch Hotspot der Wiener Drogenszene in Favoriten war: "Die Verordnung einer Schutzzone tritt mit 22.10.2022 in Kraft. Wenn sie von der Landespolizeidirektion nicht vorher aufgehoben wird, tritt sie mit Ablauf des 22.04.2023 außer Kraft", steht darauf.
Die Schutzzone wurde weder aufgehoben, noch wird sie außer Kraft gesetzt, viel mehr wird sie um weitere sechs Monate verlängert. Das bestätigt auch Oberst Gerhard Winkler, Leiter des Landeskriminalamts Wien: "Der Antrag auf Verlängerung wurde bereits gestellt und geht aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Tagen durch."
Zur Erleichterung vieler Anrainer, wie ein KURIER-Lokalaugenschein am Montag zeigte. "Es ist auf jeden Fall gut, dass die Schutzzone auch in den nächsten Monaten gilt, es sind immer noch viele Drogendealer und Alkoholiker am Keplerplatz. Wir brauchen hier einfach mehr Polizei", sagt Yasmin Celinec. Die Wienerin kommt mit ihrem Hund fast täglich hierher.
Auch zwei Frauen, die sich auf einer Parkbank nur wenige Meter entfernt unterhalten, sehen die Verlängerung der Schutzzone positiv. "Ich verstehe die Leute eh, die Bedürfnisse haben und hierher kommen. Aber besonders abends trau' ich mich nicht allein auf den Keplerplatz", sagt eine der Frauen. Durch den Polizeiwagen, der oft in der Nähe parkt, fühle sie sich sicherer.
Keine "wirkliche Veränderung"
Einer, der die Vorgeschichte um den Keplerplatz seit Jahren verfolgt, ist Polit-Aktivist Johann Posch. Auch er wohnt in Favoriten und dreht am Keplerplatz täglich seine Runden. "Ich bin davon ausgegangen, dass die Schutzzone verlängert wird. Durch die Präsenz der Polizei hat sich die Lage zwar ein bisschen verbessert, eine wirkliche Veränderung habe ich aber nicht bemerkt", schildert der Wiener. Dies zeichnete sich auch schon im Dezember bei einem KURIER-Lokalaugenschein ab.
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Die Polizei hat - im Rahmen der Schwerpunktaktion sowie als Folge der Schutzzone - in den vergangenen Monaten ihre Kontrollen vor Ort massiv verstärkt. Die Bilanz, die Winkler nun nach einem halben Jahr Schutzzone zieht, fällt positiv aus: Seit vergangenem Oktober gab es 353 Festnahmen, 800 Anzeigen, 206 Betretungsverbote sowie zahlreiche Verwaltungsübertretungen.
Bandenstruktur zerschlagen
"Unser großer Erfolg besteht darin, dass wir es geschafft haben, die Strukturen der Drogenszene vor Ort aufzulösen. Eine nordafrikanische Tätergruppe hat in der Umgebung des Keplerplatzes einen gewerbsmäßigen Handel betrieben“, erläutert Winkler.
Durch Scheinkäufe, Telefonüberwachungen und Observationen gelang es, 22 Dealer zu fassen und 22 Kilogramm Cannabis sicherzustellen.
Warum also wird die Schutzzone verlängert? Verschwunden ist die Drogenszene vor Ort noch nicht. "Gelegenheitsdealer versorgen die Szene nach wie vor. Die Täter stammen nun aber nicht mehr aus Nordafrika, sondern eher aus Syrien oder Afghanistan und sind nicht mehr Teil einer organisierten Bande." Erst wenn die Drogenszene komplett verschwunden sei, könne man die Schutzzone außer Kraft setzen.
Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) begrüßt die Maßnahme der Polizei. "Die Verlängerung der Schutzzone ist notwendig, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Grundproblem ist, dass Favoriten um minus Hundert Prozent zu wenig Polizisten hat. Alles, was jetzt unter der Zahl von 70 Polizisten als einer ersten, akuten Sofortmaßnahme liegt, käme einer Verhöhnung der leidgeplagten Favoritner Bevölkerung gleich", sagt Franz.
Zum Vergleich: In Favoriten gibt es derzeit 319 Polizisten, die für rund 218.000 Einwohner zuständig sind (1 Polizist ist also für 683 Personen zuständig; Anm.). In der Josefstadt arbeiten 386 Beamte, die für rund 100.000 Bewohner im Einsatz stehen (259 Personen pro Polizist).
Auch die ÖVP in Favoriten trägt die Maßnahme mit. "Man sieht die Verbesserung, aber es kann keine langfristige Lösung sein, am Keplerplatz für immer eine Schutzzone einzurichten", sagt Wolfgang Baumann, stellvertretender Bezirksvorsteher der ÖVP in Favoriten.
Er fordert so wie andere Bezirkspolitikern eine Videoüberwachung ähnlich wie am Reumannplatz sowie eine Notrufsäule am Keplerplatz. Ob derartige Maßnahmen angedacht werden, wenn die Schutzzone im Oktober erneut ausläuft, bleibt abzuwarten.
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