30 Milliarden Euro? Türkis-rotes Hickhack um Schuldenstand Wiens
„Wien steht vor enormer Schuldenexplosion“, warnte die Wiener ÖVP am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Damit ist nicht das schon bekannte Budgetloch in Milliardenhöhe gemeint, Parteichef Markus Figl spricht viel mehr von einem „Desaster“, das sich aus dem mittelfristigen Finanzplan der SPÖ-Neos-Stadtregierung herauslesen lasse.
Laut Berechnungen der Türkisen würde die tatsächliche Gesamtverschuldung Wiens im Jahr 2030 über 30 Milliarden Euro ansteigen, einberechnet hätte man dabei auch die Unternehmungen der Stadt Wien, wie Wiener Wohnen oder den Wiener Gesundheitsverbund, die man – auch laut ÖVP – üblicherweise nicht einberechnen würden, da sie eigene Organisationsformen sind. Würde man diese außen vor lassen, so würde sich der Schuldenstand immer noch auf 26,6 Milliarden Euro belaufen.
Die SPÖ ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen.
„Die aktuellen Vorwürfe der ÖVP basieren auf Rechnungen, die in dieser Form schlicht nicht nachvollziehbar sind“, heißt esauf Anfrage aus dem Büro von Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ). „Was wir erleben, ist eine rein politisch motivierte Dramatisierung“. So seien die Kosten der Unternehmungen sehr wohl immer eingerechnet – Wiener Wohnen ist etwa im Budget von Wohnbaustadträtin Gaal angesiedelt, jenes vom Wigev bei Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Bei den 30 Milliarden seien sie also doppelt drin.
Tabelle als Streitpunkt
Die ÖVP bezieht sich auf eine Tabelle, die im 600-seitigen-Budgetvoranschlag zu finden ist, die eine Prognose der Ein- und Auszahlungen der Stadt bis zum Jahr 2031 beinhaltet. „In jedem einzelnen Jahr bis 2030 plant die Stadt offenbar eine Neuverschuldung von mehr als zwei Milliarden Euro“, so Figl.
Diese Zahlen zu verwenden sei „unlauter“, befindet man hingegen im Büro Novak. Bei der Tabelle handle es sich um ein rein mathematisches Modell, das immer im Budgetvoranschlag ausgewiesen sei – es sei jedenfalls kein politisches Bekenntnis.
Das Defizit für das Jahr 2026 sei „klar und transparent kommuniziert“, heißt es weiter. Das Ziel sei es, jedes Jahr weniger Defizit zu machen und den Konsolidierungsprozess zu beschleunigen. Man verweist dabei auch auf das heurige Jahr. Zur Erklärung: Anfang des Jahres hatte der damalige Finanzstadtrat und nunmehrige Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) noch mit einem Defizit von 3,8 Milliarden Euro gerechnet. Nun wird es laut Stadt aber fast 600 Millionen weniger, also 3,25 Milliarden Euro, betragen. Eine Argumentation, die man bei der ÖVP nicht gelten lassen will. Es sei ein „Taschenspielertrick“, wenn man sich darüber freut, dass man weniger ausgegeben hat, als man selbst prognostiziert hat, sagt Gemeinderat Hannes Taborsky.
Was Wien brauche, sei Transparenz über die echte Verschuldung, ein Reformplan und das Ende einer Politik des „Weiter so“, so das Fazit von Figl und Klubobmann Harald Zierfuß.
Ein „Weiter so“ sieht man in der Stadt Wien nicht.„Wir konsolidieren achtsam, sozial ausgewogen und Schritt für Schritt“, heißt es im Novak-Büro. Man wolle die Balance zwischen Defizitabbau und der Sicherung der Daseinsvorsorge halten, wie etwa des geförderten Wohnbaus, sozialer Infrastruktur, Bildung und Gesundheit.
Gegenangriff
SPÖ-Klubobmann Josef Taucher ging am Nachmittag schließlich selbst in die Offensive. Die ÖVP habe die größte Finanzmisere seit 1945 zu verantworten. Gemeinsam mit den Grünen hätten sie Milliarden an Steuerentlastungen beschlossen, ohne eine einzige Gegenfinanzierung sicherzustellen. „ Das treibt die Defizite in Ländern und Gemeinden“, so Taucher. „Die ÖVP hat damit eindrücklich ihre fehlende Wirtschafts- und Finanzkompetenz unter Beweis gestellt und gezeigt, dass Rechnen mit Sicherheit nicht zu ihrer Kernkompetenz zählt“.
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