Zwei Tote nach Schüssen: Eifersucht als Motiv für Bluttat

Wien: Zwei Tote nach Schüssen in der Leopoldstadt.
24-jährige Tochter wurde am Kopf getroffen und kämpft weiter um ihr Leben. Ihr Lebensgefährte konnte nun befragt werden.

Zusammenfassung

  • Bei einem Femizid in Wien-Leopoldstadt wurden zwei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt, darunter die Tochter des mutmaßlichen Täters.
  • Der 44-jährige mutmaßliche Täter richtete nach einem Schusswechsel mit der Polizei die Waffe gegen sich selbst und wurde tot in seinem Auto gefunden.
  • Die Polizei konnte den 26-jährigen Lebensgefährten der Tochter befragen und hat eine Obduktion angeordnet; Hilfsangebote für Betroffene von Gewalt werden betont.

Zuerst hallten Schüsse am Dienstagabend durch das Stiegenhaus des Gemeindebaus in der Vorgartenstraße, dann folgten panische Hilferufe und Kindergeschrei. „Ich habe die Schreie im Stockwerk unter mir gehört, als ich gerade vom Einkaufen heimgekommen bin. Ich hab’ noch jemanden weglaufen gehört, dann bin ich runtergerannt“, schildert ein 33-jähriger Bewohner, der lieber anonym bleiben will. 

Der Mann, der weggelaufen ist, dürfte  der 44-jährige Serbe sein, der im 3. Stock des Hauses wohnte. Minuten zuvor hatte er seine gleichaltrige Ex-Frau erschossen. Seine 24-jährige Tochter wurde am Kopf getroffen und kämpfte am Mittwochnachmittag im Spital um ihr Leben. Auch ein 26-Jähriger wurde verletzt –  der Lebensgefährte der Tochter. 

"Damen lagen am Boden"

Letzterer öffnete dem 33-jährigen Nachbarn am Dienstagabend auch die Wohnungstüre. „Ein Mann mit einer Verletzung an der Schulter hat mir aufgemacht. In der Wohnung habe ich beide Damen blutend am Boden liegen gesehen“, schildert der Bewohner. Auch ein Zweijähriger sei in der Wohnung gewesen, berichtet der 33-Jährige. 

Rund um den Tatort ist es am Mittwochvormittag wieder ruhig.

Rund um den Tatort ist es am Mittwochvormittag wieder ruhig.

"Wollte Zweijährigen aus dem Zimmer bringen"

Eine weitere Nachbarin sei hinzugekommen und habe geistesgegenwärtig die Rettung alarmiert. „Mein erstes Ziel war, den Zweijährigen, der auch im Zimmer war, ins Schlafzimmer zu bringen. Aber er ist immer wieder rein gerannt. Also hab’ ich ihn in die Wohnung einer Nachbarin gebracht“, schildert der 33-Jährige.

Laut Angaben der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) waren drei Minderjährige Zeugen der Tat. Es handelt sich um die 15-jährige Tochter der 44-Jährigen sowie ein vier Monate altes Baby und ein zweijähriges Kleinkind der lebensgefährlich verletzten 24-Jährigen. Die Minderjährigen wurden in die Obhut der Schwester der Getöteten gegeben, die MA 11 ist mit ihr im Austausch und hat Hilfe angeboten. „Im Fall der 15-Jährigen haben wir die Obsorge beantragt, bei den jüngeren Kindern sind wir am Abklären, wie wir weiter verfahren“, erklärt Ingrid Pöschmann von der MA 11. Man habe bereits vor der Tat Kontakt mit der 44-Jährigen gehabt und sie hinsichtlich der bevorstehenden Scheidung beraten. 

Nachbarin Monika Lasser.

Nachbarin Monika Lasser erzählt, sie habe die Schüsse gehört, als sie mit ihrer Tochter beim Abendessen saß.

Eifersucht als Motiv

Fest steht laut Polizei mittlerweile, dass es sich bei der Auseinandersetzung um einen „Familienstreit“ gehandelt hat. Das Paar lebte nicht mehr zusammen, die 44-Jährige war aus der gemeinsamen Wohnung zu einer Verwandten gezogen. Bei der Einvernahme durch die Polizei bestätigte der angeschossene 26-Jährige am Mittwochnachmittag, dass die Motive für die Bluttat Eifersucht und die Trennung gewesen sein dürften. 

Bereits im Jahr 2014 musste die Polizei nach einem Vorfall in der Familie hinzugezogen werden: Gegen den Mann wurde ein Betretungs- sowie ein Waffenverbot verhängt.  Trotz des Verbots besaß der Mann die Schusswaffe illegal, ein altes belgisches Fabrikat mit dem Kaliber 9 mm.

Der 33-jährige Nachbar.

Der 33-jährige Nachbar ist unmittelbar nach der Tat in die Wohnung getreten.

Obduktion soll genaue Todesursache klären

Immer klarer wurde am Mittwochnachmittag auch der Tatablauf: Laut dem 26-Jährigen traf sich die Familie am Abend in der Wohnung. Der 44-Jährige habe sich dabei seltsam verhalten. Schließlich zog er die Schusswaffe und feuerte zuerst auf den 26-Jährigen, anschließend auf die Frauen. Nach der Tat flüchtete der 44-Jährige  und traf in der näheren Umgebung auf Polizisten. Auf diese soll er mit einer Waffe gezielt haben. Danach fielen auf beiden Seiten Schüsse. Der Mann flüchtete erneut. Kurz darauf fanden Beamte ihn aber leblos in seinem Auto auf, er dürfte sich selbst erschossen haben. Das soll eine Obduktion klären.

Schweigeminute für Opfer

Reaktionen kamen Mittwoch vom Verein StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) sowie dem Frauenring. Auf einer Pressekonferenz des Vereins, der am Mittwoch in Wien seine jüngste Kampagne vorstellte, wurde eine Schweigeminute für die Opfer der Bluttat eingelegt. Vereinsvorsitzende Maria Rösslhumer richtete den Opfern und Hinterbliebenen in diesem Zusammenhang ihr tiefstes Mitgefühl aus. Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring, ebenfalls auf der Pressekonferenz anwesend, erklärte in diesem Zusammenhang, dass die jüngste Tat erneut die Dringlichkeit des Themas offenbare. Sie sei "sehr wütend", sagte Frieben am Mittwoch der APA am Rande der Pressekonferenz.

Der Vorsteher des Bezirksgerichts Meidling, Oliver Scheiber, sah auch eine Verschärfung des Waffenrechts als notwendig an. Er verstehe nicht, "warum jemand - mit Ausnahme von Bundesheer oder Polizei - eine Waffe braucht", sagte Scheiber unter Verweis darauf, dass dies seine rein persönliche Meinung sei.

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